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Green Care Am Himmel
& Wein ohne Schimmel

14. September 2023

AfterWork_Green Care am Himmel & PIWI Wein (c) ÖKL_230914 (21).jpg

Für unsere heutige AfterWork Landpartie begeben wir uns hoch hinaus über Wien. Unser Treffpunkt liegt bei der Caritas Wien Einrichtung „Am Himmel“ an der Höhenstraße, nahe des Weinguts Cobenzl gelegen. Das Wetter überrascht uns mit Sonnenschein - da kann ja nichts mehr schiefgehen!
Der Großteil der Gruppe besteht aus Mitarbeiter:innen des LFI’s, die das heutige AfterWork als Betriebsausflug gebucht haben. Außerdem werden Günther Mayerl, Susanne Kabusch und Josef Hainfellner von Green Care Österreich zum späteren Zeitpunkt zu uns stoßen.
Als wir uns mit Projektleiterin Kornelia Zipper vor dem Gewächshaus Am Himmel, idyllisch unter Obstbäumen versammeln, erläutert sie das Projekt AfterWork am Bauernhof kurz: Es geht darum, als interessierte/r Konsument:in landwirtschaftliche Betriebe quer durch die Bank kennenzulernen, unabhängig von Größe und wirtschaftlicher Ausrichtung. AfterWork am Bauernhof ist teilgefördert von EU, Bund und Ländern und im sogenannten Bildungscluster angesiedelt. Es ist ein Kooperationsprojekt mit dem LFI, dem FiBL und der ARGE Bäuerinnen.

Caritas der Erzdiözese Wien „Am Himmel“, 1190 Wien

Das Wort wird nun an Manuela Buxer, die pädagogische Leitung der Einrichtung, übergeben. Manuela begrüßt uns herzlich und erzählt von diesem Green Care – zertifiziertem Standort, der eine Schule, ein Kinderhotel, eine Gärtnerei, eine Tagesstruktur und zwei Wohngruppen für Menschen mit Behinderungen anbietet. Auch ein Naturkindergarten hat Flächen gepachtet und ist Teil des Geländes.
Ganz allgemein steht
Green Care für Aktivitäten und Interaktionen zwischen Mensch, Tier und Natur. Je nach Zielgruppe verfolgen sie gesundheitsfördernde, pädagogische oder soziale Ziele. Wie uns Josef Hainfellner (Green Care Koordinator in Niederösterreich) später berichten wird, handelt es sich beim Begriff Green Care um einen internationalen Begriff. Im Vergleich dazu ist ‚Green Care- Wo Menschen aufblühen‘ eine geschützte Wort- Bild- Marke, zur Sicherstellung von Qualitäts-standards der österreichischen zertifizierten Betriebe. Insgesamt existieren ca. 100 Green Care Betriebe in Österreich, die 12 Themenbereiche abdecken.
Laut Manuela Buxer umfasst das Areal der Caritas Wien Am Himmel über 7 ha Grund der größtenteils landwirtschaftlich genutzt wird. Der Bauernhof „Maria Wald“ wurde im Rahmen des Green Care Projekts baulich angepasst und wiederbelebt. Er ist Teil des Biosphärenpark Wienerwald und setzt sich aus Stallungen, Schuppen, einigen Werkstätten 3,5 ha Grünland,
1,5 ha Wald und rund 0,8 ha gartenbaulicher Flächen zusammen.
Die landwirtschaftliche Ausgestaltung der Tagesstruktur richtet sich nach den Bedürfnissen der Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen. Die Klient:innen finden ihre Spezialgebiete und können sich dort verwirklichen. So gibt es beispielsweise Spezialist:innen im Kräuterzupfen oder Topfwaschen die überwiegend dieser Tätigkeit nachgehen. „Nicht die Klient:innen sollen für das Gelände da sein, sondern umgekehrt“, betont Manuela in Hinblick auf den Green Care Gedanken.
Insofern ist es von großem Vorteil, dass sich der Bauernhof, als Tagesstruktur, über den Sozialträger finanziert und nicht durch die landwirtschaftliche Produktion.
Früher umfasste der Standort neben der Landwirtschaft noch eine Bootsbauerei, eine Tischlerei und eine Schlosserei. „Es zeigte sich jedoch wie positiv sich der Garten und die Landwirtschaft auf die Klient:innen auswirkte, weshalb dieser Bereich verstärkt ausgebaut wurde.“ Heute besteht das lnklusionsprojekt aus Gartenbau, Veredelung und Direktvermarktung, Selbsterntebeete und Arealpflege. Darüber hinaus werden ca. 45 Hühner gehalten und betreut. Verschiedene Werkstätten (bspw. Holzwerkstatt) ergänzen das Konzept.
Von Frühjahr bis Herbst wird „alles was die Natur zur Verfügung stellt“ verarbeitet. Zusätzlich spenden Privatpersonen und der Handel Lebensmittel, die in der Tagesstruktur in weiterer Folge verwertet werden. Die hergestellten Produkte kann man im Hofladen, auf Märkten und auf Bestellung erwerben. Gerhard Kohlmeyer, landwirtschaftlicher Berater des Projekts, gibt uns nun einen interessanten Einblick in die Geschichte dieses wunderschönen Orts:
Graf Johann Carl von Socken kam Mitte des 19 Jahrhunderts durch kleinere und große Betrügereien zu gutem Geld, mit dem er sich das Schloss und die Ländereien am Cobenzl kaufte. Das bekannteste Beispiel seiner Verbrechen ist die Erpressung einer Brieftaubenzüchterin. So gelang es ihm die Zahlen der Brünner Lottoziehung per Brieftaube nach Wien zu übermitteln. Es war ihm somit möglich, die gewinnenden Lottozahlen zu setzen, bevor in Wien Annahmeschluss war. (Das gelang nur, weil es weder Telefone noch Telegrafen gab). Auf diese Weise sammelte er sich ein Millionenvermögen an. Er vermachte das Anwesen einem Frauenkloster, da er selber keine Erben hatte.  Später, als nur noch eine Handvoll der Klosterschwestern vor Ort war, übernahm die Caritas der Erzdiözese Wien den Standort.
Manuela führt uns nun zu den Werkstätten und den fleißigen Mitarbeiter:innen der Tagesstruktur, die uns neugierig empfangen. Es wird gedörrt, gekocht, geschnitten, gezupft um Kräutersalz, Sirup und Trockenobst herzustellen. Auch in die Holzwerkstätte und in die Küche wird noch ein Blick geworfen.
Chrisi, einer der Klienten, freut sich nun, uns das Gewächshaus von Innen zu zeigen. Der Mitarbeiter ist spezialisiert aufs Gießen und hilft bei der Produktion von Zimmerpflanzen, die hier zahlreich in verschiedenen Sorten und Größen vorhanden sind. „Wir haben uns überlegt, was in der Stadt gut zu vertreiben, und für unsere Klient:innen relativ leicht zu produzieren ist“, so Kohlmeyer.
Danach, durchs Gelände spazierend, erhalten wir näheren Einblick in die landwirtschaftliche Praxis, die hohes Augenmerk auf Biodiversität legt. So findet sich eine Obstwiese mit erhaltenswerten Sorten (92 Bäume von 91 Sorten) Am Himmel, angelegt in Kooperation mit der Arche Noah. Die Flächen werden allesamt biologisch (keine Zertifizierung) und Grünlandflächen sehr extensiv bewirtschaftet. „Diese Landwirtschaft unterliegt keinem wirtschaftlichen Druck und darf somit eine Nische für die Artenvielfalt darstellen.“
Unterstützung bei der Arbeit, bekommen die Klient:innen, neben Kohlmeyer und den Sozialbetreuer:innen auch von vielen Freiwilligen. Student:innen der BOKU und der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik bringen sich als Praktikant:innen gerne ein. Außerdem stellt der „Social Team Day“ die Möglichkeit dar, als Team, für einen ganzen Tag in der Landwirtschaft Am Himmel mitanzupacken.
Vorbei an den Streuobstwiesen gelangen wir zu den Selbsterntefeldern, die 2018 angelegt wurden. 10m² oder 20m² große Parzellen können, immer für ein Jahr, gepachtet werden. „Wenn am Erntefeld ein ‚Plauscherl‘ zwischen Pächter:innen und Klient:innen entsteht, stellt sich das Gefühl von gelebter Inklusion ein.“
Die Atmosphäre ist bunt und gleichzeitig ruhig, gepaart mit einem wunderschönen Ausblick. Man kann sich direkt vorstellen, dass diese Umgebung die Freude am „Tätig-Sein“ weckt und sich positiv auf die Lebensqualität der Klient:innen auswirkt.
Wir begeben uns zurück zum Ausgangspunkt, wo schon eine reichhaltige Jause auf uns wartet. Marmeladen, Trockenobst, Brote, Säfte und Liköre werden mit Begeisterung verkostet. Noch einen Sprung zum Hofladen, bevor wir der Bellevuestraße entlang zum Winzer Rudi Burner weiterziehen!

 

Caritas der Erzdiozöse Wien "Am Himmel", Green Care zertifizierter Hof
Gspöttgraben 5
1190 Wien

https://www.greencare-oe.at/caritas-bauernhof-maria-wald+2500+2442283

Fotos: ÖKL


Weinbau Rudolf Burner, 1190 Wien
Nach ein paar hundert Metern Fußmarsch erreichen wir die Hütte am Bellevue. Der Name verspricht nicht zu viel: sonnige Stimmung, leichte Spätsommerbrise und Weitblick über die Weinberge und die Stadt. „Dieses ‚Feeling‘ möchte ich in meinen Weinen einfangen“, lässt uns der Winzer später wissen. Rudi Burner erwartet uns bereits mit einer spritzigen Kostprobe die wir bei diesem Anblick gerne genießen. Währenddessen werden wir in die Welt der PIWI-Weine eingeführt, deren Geburtsstunde im Ende des 19.Jahrhunderts, nach dem Auftreten der Reblaus, sowie Echtem und Falschen Mehltau liegt. Züchter:innen begannen damals die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Reben mit den Geschmackseigenschaften der europäischen Sorten zu verbinden.
Pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWI), die immer gentechnikfrei gezüchtet werden, weisen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Pilzkrankheiten (vor allem Mehltau) auf und ermöglichen somit eine Reduzierung des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Mittlerweile machen die PIWI-Sorten österreichweit rund 5 Prozent aus und sind besonders in Regionen mit hoher Niederschlagsrate beliebt.
Zum Weinbau kam Rudi Burner ursprünglich durch seine Frau, die ihm vor 20 Jahren den Pachtgrund in Sievering zu Weihnachten schenkte. Als Quereinsteiger in der Landwirtschaft erarbeitete sich Burner sukzessive Wissen rund um die Rebe und erweiterte seine Flächen über die Jahre auf eine Größe von 2,5 ha.
Von Anfang an, entschied sich Burner für den Anbau von PIWI-Sorten. „Ob man kranken Wein gesund pflegen muss, oder gleich gesunden hat“, war eine leichte Entscheidung für den Hobbywinzer. Er ist vom Geschmack der PIWIs überzeugt und spart sich 700- 1200 Euro Ausgaben für Spritzmittel im Jahr.
Auf Hochstämmen veredelt, baut er laut Rebflächen Verzeichnis 12 verschiedene Rebsorten an. Unter anderem hat er die Johanniter-Trauben im Sortiment, die älteste PIWI-Sorte (52 Jahre) in Europa. Wir kosten uns durch die Variationen und nehmen, nach unserem Rundgang wieder auf der Terrasse am Bellevue Platz. Rudi Burner verwöhnt uns mit belegten Brötchen und die Weinverkostung schreitet voran. Die Gruppe erfährt, dass es in Sievering nur noch 12 aktive Winzer gibt. Im Vergleich dazu haben im Jahr 1952 noch 52 Weinbauern gewirtschaftet. Auch die Weinflächen sind über die Zeit weniger geworden, gehören aber mittlerweile zum Naturschutzgebiet und sind daher vor Versiegelung bewahrt.
Die entspannte und heitere Stimmung veranlasst Rudi Burner Anekdoten zum Quereinsteiger-Dasein zu teilen. Zu Beginn wurde seine Sortenwahl und seine Bewirtschaftung von den Alteingesessen
en Sieveringer Weinbauern mit Skepsis betrachtet. Mittlerweile pflegt er jedoch eine gute Nachbarschaft mit den umliegenden Winzern.
Circa hundert Tage nach der Blüte, wenn sich die Kerne der Traube von Grün auf Braun färben helfen Familie und Freunde bei der Weinlese. Dieses Wochenende wird es soweit sein: die Weingärten werden fertiggelesen und der Winzer startet im hauseigenen Weinkeller im Ort mit der Produktion.
Der Sonnenuntergang nimmt uns in seinen Bann, wir können den Blick über die Weingärten im Abendlicht kaum abwenden, müssen aber bald aufbrechen. Auf die Frage in die Runde, wie das AfterWork gefallen hätte, antwortet ein Teilnehmer: „Nomen est omen- es war einfach der Burner.“


Rudolf Burner Weinbau
Hütte am Bellevue
Bellevuestraße, 1190 Wien

https://www.burner-wein.at/                                                                                                                             Bericht: Selina Kräutler

Fotos:  ÖKL

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