Spezial-AfterWork
Von regionalem Wintergemüse & globalen Dimensionen
am Freitag, 20. Oktober 2023
WeltTellerFeld, 1220 Wien
Diesen Freitag am WeltTellerFeld überrascht uns das Wetter mit Sonnen-
schein und wohligen Temperaturen. Wir wollen heute so einiges zum
Wintergemüseanbau besprechen und lernen wie es möglich ist, ganz
regional statt global, eigenes Wintergemüse zu produzieren.
Charlotte und Anna, die Initiator:innen des WeltTellerFelds, starten
mit der Gruppenführung durch den interaktiven Bildungsort.
Das gut 3000 m² große Feld zeigt die Fläche und die landwirtschaftlichen
Kulturen, die der jährliche Lebensmittelkonsum eines einzigen Menschen
beansprucht (Durchschnitt der Menschen in Österreich). Die Aufteilung
des Feldes macht deutlich, woher unsere Lebensmittel kommen – 45 % aus dem Inland und 55 % aus dem Ausland – und wofür die Flächen gebraucht werden: 67 % der Fläche für Weide und Futterpflanzen, um tierische Produkte herzustellen, 33 % für pflanzliche Lebensmittel.
Genau das soll am WeltTellerFeld hervorgehoben, gemeinsam diskutiert und reflektiert werden. Wie viel Fläche jede und jeder in Österreich durchschnittlich pro Jahr für die eigene Ernährung verbraucht und wie sich diese zusammensetzt. Die Idee dafür entstand 2020 in Anlehnung an den Film von Kurt Langbein „Anders essen – Das Experiment“ und wird von einer Gruppe engagierter junger Leuten getragen. Das Projekt WeltTellerFeld konnte durch die Kooperation mit dem Ernährungsrat Wien, der Kleinen Stadt Farm, Hallo Klima! und Brot für die Welt in die Praxis umgesetzt werden. Angeboten werden unterschiedliche Führungen und Workshops.
Anna zeigt uns anhand eines Apfels, welche Fläche die Menschheit für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung hat. Nehmen wir an, der Apfel steht für die Erdkugel, bestehen ¾ des Obstes bzw. der Erdoberfläche Wasser. Teilt man das verbliebene Apfel-Viertel in zwei Achtel, steht das eine Achtel für Wüste und Eis. Das Zweite muss erneut in 4 Teile geschnitten werden. Ein Teil hiervon sind die Feuchtgebiete, der zweite Anteil stellt versiegelte Flächen dar und das dritte Stück sind Wälder und Wiesen. Was jetzt noch verbleibt ist 1/32 des Apfels bzw. der Welt. Kaum zu glauben: Ausschließlich auf diesem kleinen Teil der Erdoberfläche kann Ackerbau betrieben werden.
Nun setzten wir uns in Bewegung und starten unseren Ernährungsrundgang im „Ausland“, denn die 3000 Quadratmeter Gesamtfläche sind nicht nur nach Anteil der Lebensmittel geteilt, sondern auch in Produktionsflächen im Aus- und Inland. Ob für den direkten Konsum vom Menschen ausgegangen wird, oder ob es sich um Futterpflanzen für unsere tierischen Lebensmittel handelt, die dann als Käse, Eier und Fleisch in unserem Bauch landen. Immerhin: ganze 2/3 der Fläche werden ausschließlich dafür angebaut!
Für viele überraschend: Mittlerweile, aufgrund des Klimawandels, wachsen Oliven und Erdnüsse in Österreich. Die kleinen Nüsse dürfen wir sogar im frisch ausgegrabenen und ungerösteten Zustand verkosten. Wir spazieren weiter wo verschiedengroße Tiertafeln auf uns waren, und den Fleischkonsum je Tier verdeutlichen.
Wir essen um die 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr und von diesen belaufen sich ganze 34 kg auf das Schwein, gefolgt von 13 kg Geflügel und 11 kg Rind. Für diese Mengen braucht man um das fast sechsfache an Futter, was natürlich einen Großteil unserer Acker- und Weideflächen in Anspruch nimmt, um die 70% unserer Anbauflächen fließen so in die tierische Produktion. Betrachtet man das Ganze gesundheitlich, wären 15 kg an Fleischkonsum im Jahr bereits das Maximum.
Zuletzt kommen wir zurück zur kleinen Gartenlaube, mit kreativ zusammengesammelten Tischgruppen auf einer Fläche, die für unseren jährlichen Kaffeekonsum steht – genau 117 Quadratmeter und das für nur eine Person.
Fotos: Reinhard Geßl, ÖKL
Rudolf Hoheneder "Hauneda" aus Kirchberg am Wagram
Unser Referent Rudi Hoheneder steht schon in den Startlöchern - denn bald geht’s an
die Handarbeit! Bei Kuchen, Gemüsecrackern und einem Glas wärmenden Glühwein
lernen wir Rudi und seine Frau Irmi kennen. Gemeinsam führen sie einen Betrieb in
Kirchberg am Wagram der auf Gemüse- und Wintergemüseanbau spezialisiert. Seit
2013 betreibt Rudi seine Landwirtschaft auch als SoLaWi (=solidarische Landwirtschaft).
Vorweg empfiehlt er für die weitere Vertiefung ins Thema Wintergemüse das Hand-
buch "Wintergärtnerei" von Eliot Coleman, welches ihn selbst sehr inspiriert und zum
Folientunnelbau animiert hat. Hoheneder versteht sich als freier Forscher. Auf seinem
Betrieb arbeitet er in Dammkultur und mit Mini-Tunneln nach biologischer Wirtschafts-
weise. Mit dieser Arbeitsweise kann er die ganze Saison, selbst bei hohen Minusgraden,
frisches Gemüse produzieren und vermarkten.
Die motivierten Teilnehmer:innen starten zur vorbereiteten Fläche mit Jungpflanzen und Gartengeräten im Gepäck. „Das Beste am Mini-Tunnel ist der Schutz vor Wind und Frost“. Diese Witterung ist laut Rudi das Schlimmste für unsere Nutzpflanzen. „Ganz
genauso ist's beim Menschen“, zeigt sich eine Teilnehmerin überzeugt.
Die Bögen für den Folientunnel können aus Federstahl oder Plastik gefertigt sein. Die Metallbögen für den Folientunnel lässt der Landwirt eigens anfertigen. Für die Kunststoffvariante können Elektroinstallationsrohre aus dem Baumarkt besorgt werden. Hierbei steckt man zwei Rohre (20 mm und 16 mm), für die ideale Stabilität, ineinander. Bevor wir die Bögen in der Erde befestigen, beginnt das fröhliche Setzen und Pflanzen der motivierten Gruppe. In Teamarbeit werden Jungpflanzen und Samen, in die Erde gesetzt,
gesät (siehe Anbauplan oben) und anschließend gegossen. Danach befestigen wir (alle 2m), nach Rudis Anleitung, die Metallbögen ca. 20 cm tief in den Boden. Die Kunstoffbögen müssen enger (alle 1m) gesteckt werden. Nun legen wir das Gartenvlies über die Konstruktion und spannen es mit Schnüren entlang der Bogenlinie fest. Möchte man die Pflanzen gießen und pflegen, kann der Mini-Tunnel leicht geöffnet und zugänglich gemacht werden, indem das Vlies seitlich hochgeschoben wird.
Der Tunnel besteht bereits die erste Belastungsprobe und trotzt dem Wind, der uns mittlerweile um die Ohren saust. Wir bestaunen unser Werk das wir in Teamwork geschaffen haben. Müde und zufrieden von der getanen Arbeit, schließen wir das AfterWork mit einer Frischgemüse-Verkostung aus Rudis Produktion ab.
Fotos: Reinhard Geßl, ÖKL
Bericht: Selina Kräutler