Süße Zeit der Dämmerung - 16. November 2018
Bei schönstem Herbstwetter begaben sich die AfterworklerInnen dieses Mal auf die Spuren des Wiener Zuckers – von der Zuckerrübe bis zum Kristallzucker. Jede/r ÖsterreicherIn nimmt im Jahr rund 36 – 39 kg Zucker zu sich und der Verbrauch steigt stetig, kaum ein Lebensmittel kommt ganz ohne Zucker aus.
Ein brandaktuelles Afterwork-Thema also!
AUF DEM ACKER - Betrieb Michael Bauer in Zöfing, Niederösterreich
Der Weg zum Betrieb von Michael Bauer führte uns mit dem Bus bereits an der imposanten Zuckerfabrik mit den großen Zuckersilos der AGRANA Zucker GmbH in Tulln vorbei – doch dazu später mehr. Vorerst ging es auf den Acker, die Grundlage der Zuckerproduktion!
Michael Bauer empfing die Afterwork Landpartie mitten auf seinem Rübenacker bei Judenau. Der junge Betriebsleiter führt einen gemischten Betrieb mit Marktfruchtanbau und Viehhaltung mit Mastschweinen und Weidegänsen. Er baut Mais, Getreide, Kürbis, Kräuter und vieles mehr an und hat auch 3 ha Zuckerrübe.
Auf dem Zuckerrübenacker fand gerade die Zuckerrübenernte statt und Herr Bauer und Herr Leopold Figl von der AGRANA führten uns in den Jahreskreislauf im Zuckerrübenanbau ein.
Das Zuckerrübenjahr beginnt schon im Winter, hier werden die Anbau- und Lieferverträge, sprich die Mengen zwischen den Bauern und der AGRANA ausgehandelt und festgelegt. Außerdem erfolgt die Saatgutbestellung. Wichtig ist hier die richtige Sorte für das jeweilige Gebiet. Das Rübensaatgut wird gentechnikfrei in Österreich produziert und vermehrt. Ein etwas ungewohnter Anblick für die AfterworklerInnen ist das Saatgut schon – die „Pillen“ sind gleichmäßig rund, mit einer glattpolierten, glänzenden Hülle überzogen und ähneln dem „Körndl“, welches sich die meisten vorstellen, nur wenig. In den konventionellen „Pillen“ ist der Pflanzenschutz gleich integriert. Pro Hektar werden Ende März bis Anfang April 100.000 Pillen - alle 20 cm eine Pille - ausgebracht und angebaut. Je früher der Anbau, desto länger hat die Rübe Zeit bis in den Herbst zu wachsen und ausreichend Zucker zu entwickeln.
Heuer im Jahr 2018 konnten die Zuckerrüben aufgrund der milden Witterung sehr früh ausgesät werden. Jedoch war die Witterung nicht nur für den zeitigen Anbau günstig, sondern auch für den bei Zuckerrübenbauern weniger beliebten Rübenderbrüssler. Der Käfer überwintert im Boden und schwirrt normalerweise erst bei Temperaturen ab 15 ° C aus. Durch die frühen, milden Temperaturen konnte sich jedoch auch der Rüsselkäfer früher auf seinen Raubzug begeben und zerstörte so große Anteile der ausgesäten Rüben, die zu diesem Zeitpunkt noch zu schwach waren. So mussten bereits im Mai/Juni viele Flächen wieder eingeackert werden. Im biologischen Zuckerrübenanbau sind heuer nur 600 ha von 2.000 ha zur Ernte gekommen.
Die Ernte findet dann September bis November statt, je nachdem wie die Bodenbeschaffenheit ist. Leopold Figl von der AGRANA hat hier einen genauen Plan, wann welcher Betrieb seine Rüben ernten und an die Zuckerfabrik liefern muss. Je später die Rüben geerntet wurden, desto höher ist der Zuckergehalt. Ist die Rübe einmal geerntet, kann erst in 4-5 Jahren wieder auf der gleichen Fläche angebaut werden. Der Ertrag im konventionellen Rübenbau beläuft sich auf ca. 75 Tonnen pro Hektar, im biologischen auf rund 50 Tonnen.
Der Rübenpreis richtet sich seit der Aufhebung der EU-Zuckermarktordnung, welche als Preisstützung wirkte und planbare Angebotsstrukturen schaffte, im Oktober 2017 nach dem internationalen Marktpreis. Im Zuckersektor gibt es eine große globale Konkurrenz, vor Allem aus Brasilien und Indien. Aktuell beläuft sich der durchschnittliche Preis pro Tonne auf 30 € (konventionell) bei einem Ertrag von ca. 75 Tonnen pro Hektar.
Besonders beeindruckend für die Runde der StädterInnen war der gewaltige Rübenroder mit 20 t, 560 PS und dem stolzen Preis von 600.000 €, der auf dem Feld seine Runden drehte. Eine komplexe technische Angelegenheit ist das: im ersten Schritt werden die Blättern auf ca. 2 cm abgeschnitten, anschließend heben zwei flexible Schare die Rüben vom Boden heraus, dann werden Erdreste heruntergerüttelt und zum Schluss geht es über ein Förderband in den Ladebunker. Und das alles mit einem Gerät! Zahlreiche Sensoren und Kameras begleiten den Prozess und helfen dabei, die bestmögliche Qualität der Ernte zu sichern. Einige AfterworklerInnen durften sogar eine Runde mit dem Rübenroder drehen und hautnah im Cockpit dabei sein!
Fotos: ÖKL, Reinhard Geßl
IN DER ZUCKERFABRIK - AGRANA Zucker Gmbh Tulln, Niederösterreich
Eine Zuckerrübe hat ein Gewicht von ca. 770 Gramm und dabei einen Zuckergehalt von 15 – 20 % Zucker. Sie wurde aus der ursprünglichen Futterrübe, der Runkelrübe, mit nur 10 – 12 % Zuckergehalt gezüchtet. Diese wertvollen Eigenschaften der Rübe sind Grundlage der Arbeit in der Zuckerfabrik AGRANA.
Die AGRANA hat Verträge mit 6.000 Zuckerrübenbauern, die auf insgesamt 40.000 ha Fläche (davon 2.000 ha biologisch bewirtschaftet) vor Allem in Ost-Österreich Rüben anbauen und an die AGRANA liefern. In Österreich gibt es nur zwei Zuckerfabriken in Tulln und Leopoldsdorf, beide im Besitz von AGRANA, und hier werden alle Zuckerrüben aus Österreich verarbeitet. Die AGRANA hat drei Produktionsparten: Zucker, Stärke und Frucht. Der Zucker ist für viele internationale und heimische Unternehmen ein wichtiger Rohstoff. Zu den wichtigsten Kunden der AGRANA Zuckerfabrik gehören Red Bull, REWE und Rauch. Red Bull nimmt der AGRANA jährlich insgesamt 70.000 Tonnen Zucker ab, so viel hat im größten Zuckersilo auf dem Betriebsgelände Platz.
In der Zuckerfabrik wird die Rübe zu feinem Kristallzucker verarbeitet. Wie? Die Landpartie durfte sich die einzelnen Schritte in der Zuckerfabrik genau anschauen:
Die Bauern liefern ihre Rüben und diese werden sogleich abgewogen. Hier braucht es ein geübtes Auge, denn es wird auch viel Erde mitgeliefert, welche anteilsmäßig abgezogen wird. Die Zuckerrüben werden gewaschen und in einer Schneidmaschine in streifenförmige „Schnitzel“ geschnitten. Die Rübenschnitzel werden dann in heißes Wasser gegeben, wo sich der Zucker herauslöst und so ein Rohsaft mit 98 % des in der Rübe vorkommenden Zuckers, sowie organische und anorganische Inhaltsstoffe („Nicht-Zuckerstoffe“) aus der Rübe, enthalten ist. Anschließend wird der Saft im Kalkofen von den Nicht-Zuckerstoffen gereinigt und gefiltert, so entsteht der Dünnsaft. Der Filterrückstand ist ein wertvolles Bodenverbesserungsmittel und wird wieder auf den Feldern ausgebracht. Der Dünnsaft wird anschließend in einer mehrstufigen Verdampfung zu Dicksaft eingedampft. Dann kommt es unter Hinzugabe von fein gemahlenem Zucker und bei hohen Temperaturen im Vakuum zur Kristallisation der Zuckerkristalle. Dieser Vorgang beansprucht alleine 4 Stunden. Die Zuckerkristalle werden dann in einer Zentrifuge vom Sirup getrennt (Melasse) und getrocknet. Das Ergebnis ist der reine, weiße Kristallzucker mit einer Korngröße von 0,8 mm – die Ausgangslage für alle weiteren 33 Zuckervarianten. Will man etwa einen braunen Rohzucker haben, so wird dem Kristallzucker wieder Melasse beigefügt. So entsteht die etwas bräunliche Färbung.
Von der Lieferung der Rübe bis zum Feinkristallzucker vergehen nur 8 Stunden – ein wahnsinnig interessanter Weg, den die Zuckerrübe da zurücklegt!
Fotos: ÖKL, Reinhard Geßl
Genussheuriger Wieninger in 1210 Stammersdorf, Wien
Ein gelungenes Ende unserer herbstlichen AfterWork-Partie fand im gemütlichen Genussheurigen Wieninger in Stammersdorf statt. Hier konnten wir bei einer zünftigen Heurigenjause und ausgezeichnetem Bio-Wein den Tag ausklingen lassen. Gemeinsam mit den zwei Experten von BioAustria Otto Gasselich und Walter Klingenbrunner konnten die AfterworklerInnen weiter über konventionellen und biologischen Rübenanbau diskutieren.