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Von süßen Beeren & kecken Ziegen
8. September 2023

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Bei sonnigem Wetter und Gemüt starten wir von Leopoldau Richtung Loosdorf im nördlichen Weinviertel. Projektleiterin Kornelia Zipper nutzt die heute etwas längere Fahrt, um Daten und Fakten zur vielfältigen österreichischen Landwirtschaft zu präsentieren. Laut Agrarstrukturerhebung gibt es 155 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe im Lande, wovon 75 % konventionell und 25 % biologisch wirtschaften. Leider sperren 5-7 Betriebe täglich zu, was verschiedenste Gründe hat. Die steigenden Energiekosten, die Tatsache, dass keine/n Hofnachfolger:in gefunden wird und die hohe Arbeitslast sind Faktoren die das ‚Höfeschließen‘ beeinflussen.

Jetzt wollen wir noch Details zu den Erzeugnissen der heutigen Betriebe erfahren. Da wir zuerst den Bio-Beerenhof Hummel besuchen, ordnen wir gemeinsam verschiedene Beerenarten ihren botanischen Familien zu. So gehören die Himbeeren zu den Rosengewächsen, die Physalis zu den Nachtschattengewächsen und die Ribisel zu den Stachelbeergewächsen. Dass die Kiwi zu den sogenannten Strahlengriffelgewächsen zählt, ist uns allen neu!
Eine Teilnehmerin lässt uns noch wissen, dass sie vor 20 Jahren bereits bei den Hummels auf Besuch war. Was sich seitdem wohl verändert hat?

10 000 Ziegenbetriebe gibt es in Österreich mit insgesamt 100 000 Ziegen. 40 000 davon sind Milchziegen. 32 davon leben am Ziegenhof Klampfl, den wir später besichtigen werden. 0,3 Liter Ziegenmilch und 1 kg Ziegenfleisch verzehrt ein Mensch in Österreich durchschnittlich im Jahr. Trotz diesem vergleichsweise geringen Bedarfs, kann Österreich diese Menge nicht selbstversorgen.

Biobeerengarten Hummel, Loosdorf, NÖ

Nach ca. 50 Minuten Anfahrt, steigt Katharina Schödl-Hummel in den Bus zu und wir fahren mit ihr gemeinsam zum Beerengarten. Inmitten der reifen Himbeeren, die wir nun genüsslich naschen, beginnt sie zu erzählen: Bereits vor rund 40 Jahren begannen ihre Schwiegereltern mit dem Anbau von Beerenobst vor Ort. Diese Experimentierfreudigkeit verwandelte den ursprünglichen Schweine- und Ackerbaubetrieb über die Jahre hinweg zum innovativen Beerenhof. Auf insgesamt
110 ha wird neben dem Nischenprodukt Beeren, nach wie vor Ackerbau mit biologischer Wirtschaftsweise betrieben. Ein bis zwei Jahre Planung im Voraus braucht es, um die Beerenflächen hinsichtlich der Fruchtfolge optimal zu nutzen. Katharina erklärt uns, dass sie nicht heilend, sondern vorbeugend wirtschaften. Beispielsweise machten sie die letzten Jahre gute Erfahrungen mit der Ausbringung von EM (effektive Mikroorganismen). Dieser Mix aus Hefe und Bakterien stärkt die Pflanzen und beugt Schädlingen vor. Neben Pflegemaßnahmen wie Rückschnitt und Bewässerung, kommt auch der Wind dem Beerenobst zugute. Da sich die Anlagen laut Katharina im „Windviertel“ befinden, steht einer gesunden Ernte nichts
im Wege.

Die Landwirtin, die nebenbei auch Musikerin und Forschende an der BOKU ist, führt nun weiter zur ältesten Mini-Kiwi-Anlage Europas. Anfang der 1990er Jahre, wurde diese von ihren Schwiegereltern auf 1 ha Fläche angebaut. Die Vitamin C-reiche Pflanze kommt ursprünglich aus Sibirien und der Mongolei und ist winterhart. Leider, aufgrund des heurigen Spätfrosts, fiel ein Großteil der Ernte aus. Die Gruppe staunt, als sie vom jährlich stattfindenden Mini-Kiwi-Kongress der europäischen Mini-Kiwi- Vereinigung erfährt.

Auch Bio-Goji-Beeren befinden sich seit 2008 im Repertoire der Hummels. Die kleinen, gesunden und leicht bitteren Beeren, kamen im 18. Jahrhundert von China nach Europa und haben sich seitdem weit verbreitet. Eine erfahrene Pflückerin benötigt eine Stunde für 700 g Goji-Beeren, was den relativ teuren Preis von 60 €/kg erklärt. „Fünf Goji-Beeren täglich, dann lebt man ewig“, sagt ein TCM-Sprichwort. Na dann probieren wir sie doch!

Die Physalis oder Goldbeeren sind leider noch nicht ganz reif, aber hier wird noch der ein oder andere Beeren-Gartentipp von der Expertin erfragt. Weiters wird auch noch geklärt was die neuen Jostabeeren eigentlich sind: eine Kreuzung zwischen Stachel- und Johannesbeeren. Außerdem erklärt uns die Landwirtin, dass die Himbeere das verderblichste Obst ist. Daher werden die Beeren häufig nach der Ernte eingefroren, und später im tiefgekühlten Zustand zu Veredelungsprodukten weiterverarbeitet.

Nach all den Informationen ist der Wissensdurst der Gruppe fürs Erste gestillt weshalb sich Katharina und ihr Team im Hofladen nun um unser leibliches Wohl kümmern. Wir werden mit einem Glas Himbeersturm-Frizzante begrüßt, verkosten verschiedene Beerenkuchen und auch Himbeer-Likör und -Brand und erfahren noch mehr über die Produktvielfalt des Bauernhofs. Gestärkt widmen sich die AfterWork-Teilnehmer:innen dem wunderschön gestalteten Hofladen und erstehen das ein oder andere köstliche „Souvenir“.

Biobeerengarten Hummel OG

A-2133 Loosdorf 95 (bei Mistelbach)

https://www.biobeerengarten.at/

Fotos: ÖKL, Kerstin Hackl


Ziegenhof Klampfl, Loosdorf, NÖ
Mit unseren Köstlichkeiten bepackt geht es zu Fuß weiter zu den Stallungen des Ziegenhofs Klampfl, der zwei Betriebsstätten mit insgesamt 90 ha Fläche vereint. Manuela Mauthner und Ehemann Hermann heißen uns herzlich willkommen. Mit neugierig, kecken Ziegen als Hintergrundkulisse, lauschen wir Manuelas Betriebs-geschichte. Die junge Bäuerin erlernte das Käsen während eines Praktikums auf einem Milchviehbetrieb und beschloss, den reinen Ackerbaubetrieb um die Tierhaltung zu erweitern. Die Stallungen waren bereits vorhanden und so zogen 2014, die ersten Ziegen am Bauernhof ein.  „Wenn man sich für eine Tierart, mit der man jeden Tag zusammenarbeitet entscheidet, muss die Chemie einfach stimmen“, teilt uns die Landwirtin mit.  Den Betriebszweig der Ziegenmilch- und Ziegenkäseproduktion startete die Familie im Jahr 2016. Die Arbeit am Hof beschäftigt derzeit vier Erwachsene im Vollerwerb (Manuela, ihre Eltern und Mann Hermann). Unterstützung bekommen sie auch schon von Ihren drei Kindern.
Die Herde stellt sich aus Saanenziegen, Toggenburger–Ziegen und (temporär) Ziegenbock Kunibert zusammen. Bockig, also paarungsbereit, sind die Ziegen im August und bringen ihre Kitze im Februar zur Welt. Zwei Monate vor dem Ablammen, werden die Ziegen trockengestellt (nicht mehr gemolken). Die Lämmer bleiben nach der Geburt eine Woche lang bei der Mutter und bekommen die Biestmilch um das Immunsystem zu stärken. Danach werden die Ziegenkitze mit der Flasche weiter von Hand aufgezogen. Die Milch der Ziegenmütter kann nun bis
zum Trockenstellen im nächsten Zyklus, zum Käsen verwendet werden.
Um mehr übers praktische Melken zu erfahren führen uns Manuela und Sohn Hermann Junior zum angrenzenden Melkstand. Zweimal am Tag werden hier die Ziegen in einer Zeitspanne von 2-3 Stunden gemolken. Zuerst muss man die Zitzen mit Holzwolle putzen, dann wird mit der Hand in einen Becher vorgemolken, um die Qualität der Milch zu prüfen. Alle 2-3 Tage wird die frische Milch weiterverarbeitet.
Ab Dezember, vor der Ablammung, wird nicht mehr gemolken. Dennoch, Arbeit gibt es genug! „Die To-Do-Liste
für diesen Winter, wird auch im nächsten Winter nicht abgearbeitet sein“, lässt uns Manuela wissen.
Noch ein kurzer Blick zu den Wanderhühnern und schon begeben wir uns zur letzten Station des heutigen Tages: zum Bauernhof Klampfl, welcher Wohnhaus, Käserei und Hofladen vereint.  
Zu Fuß angekommen, dürfen wir eine bunte Vielfalt an Käsespezialitäten verkosten. Manuela ist sehr erfinderisch und probiert immer neue Produkte aus. Die Bäuerin erklärt uns, dass Ziegenmilch für den Menschen besser verdaulich sei als Kuhmilch. Laut Mauthner vermag der Ziegenmilch-Konsum in manchen Fällen Atemwegserkrankungen und Neurodermitis zu lindern. Den Vorbehalt, dass Ziegenmilch immer „böckelt“ (also nach Ziege schmecke), möchte sie ausräumen: „Der Geschmack der Ziegenmilch hängt von vielen unter-schiedlichen Faktoren ab. Saison, Fütterung, Alter des Tieres, Fettgehalt und Verarbeitung beeinflussen das Aroma.“
Für 1 kg Frischkäse werden 6 l Milch benötigt, für 1kg Schnittkäse 12 l Milch und Joghurt kann 1:1 verarbeitet werden. Molke, die als Nebenprodukt anfällt, wird teilweise als Fruchtdrink verkauft, der Rest an die Schweine verfüttert.
In der Verarbeitung muss der Betrieb sehr strenge Hygienebedingungen einhalten, die auch mindestens einmal jährlich vom Hygieneinspektor geprüft werden. Die Qualität und der Geschmack sprechen für sich! Die Kostproben wurden bis auf den letzten Bissen aufgegessen, viele haben zum ersten mal im Leben frische Ziegenmilch getrunken und es hat sich bereits eine lange Schlange für den Einkauf an der Käsetheke gebildet.
Es dämmert schon. Unser heutiges AfterWork war ereignisreich und informativ! Wir bedanken uns, machen noch ein paar letzte Fotos und begeben uns, müde von den Eindrücken und der Landluft, zurück in die Stadt.

 

Ziegenhof Klampfl
Manuela Mauthner
2133 Loosdorf 43

https://www.ziegenhofklampfl.at/                                                                                                                                Bericht: Selina Kräutler

Fotos:  ÖKL, Kerstin Hackl

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