Spezial-AfterWork
Ab ins Glas - Fermentieren mit Rudi am WeltTellerFeld
am Freitag, 1. Dezember 2023
WeltTellerFeld, 1220 Wien
Die letzte AfterWork Landpartie für das heurige Jahr ist in zwei Teilen organisiert.
Zuerst erkunden wir das WeltTellerFeld und danach werden wir im nahegelegenen
Cafe Schillwasser, im Praxisteil der Veranstaltung, die Kunst der Fermentation
kennenlernen. Bei winterlichen Temperaturen und Schneeregen versammeln
sich die Teilnehmer:innen dick eingepackt am Feld, wo Charlotte (eine Initiatorin
des WeltTellerFelds) mit der Kurzfassung des Rundgangs durch unsere
Ernährung startet. Das WeltTellerFeld ist ein interaktiver Bildungsort der die
Zusammenhänge unserer Ernährung begreifbar macht. Auf einer Schautafel
ist das Feld in verschiedene Farben unterteilt, die sich auf entsprechend
gefärbten Tellern wiederholen und maßstäblich angebaute Kulturen kennzeichnen. Von Weizenanbau, zum Olivenbaum bis hin zu Erdnüssen, alles was die Ernährung des/der durchschnittlichen Österreicher:in ausmacht, ist hier auf 3000 m² angebaut.
Die Aufteilung des Feldes macht deutlich, woher unsere Lebensmittel kommen – 45 % aus dem Inland und 55 % aus dem Ausland – und wofür die Flächen gebraucht werden: 67 % der Fläche für Weide und Futterpflanzen, um tierische Produkte herzustellen, 33 % für pflanzliche Lebensmittel. Aufgrund der ungemütlichen Witterung wird der Hauptteil von Charlottes Vortrag in nur 400 m Entfernung ins behagliche Cafe Schillwasser verschoben.
Es gibt heißen Punsch zum Aufwärmen und Charlotte zeigt uns anhand eines Apfels, welche Fläche die Menschheit für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung hat. Nehmen wir an, der Apfel steht für die Erdkugel, so bestehen ¾ des Obstes bzw. der Erdoberfläche aus Wasser. Teilt man das verbliebene Apfel-Viertel in zwei Achtel, symbolisiert das eine Achtel Wüste und Eis. Das Zweite muss erneut geviertelt werden. Ein Teil hiervon sind Feuchtgebiete, der zweite Anteil stellt versiegelte Flächen dar und das dritte Stück sind Wälder und Wiesen. Was jetzt noch verbleibt ist 1/32 des Apfels bzw. der Welt. Kaum zu glauben: Ausschließlich auf diesem kleinen Teil der Erdoberfläche kann Ackerbau betrieben werden.
Ob für den direkten Konsum des Menschen ausgegangen wird, oder ob es sich um Futterpflanzen für unsere tierischen Lebensmittel handelt, die dann als Käse, Eier und Fleisch in unserem Bauch landen. Immerhin: ganze 2/3 der Flächen werden ausschließlich für die tierische Produktion angebaut!
Wir essen ca. 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr und von diesen belaufen sich ganze 34 kg auf das Schwein, gefolgt von 13 kg Geflügel und 11 kg Rind. Betrachtet man das Ganze gesundheitlich, so wären 20 kg an Fleischkonsum im Jahr bereits das Maximum.
Das jetzige Ernährungssystem macht 33 % der gesamten Treibhausgasemissionen aus. Die größten individuellen Hebel um positiven Einfluss zu nehmen liegen in der vegetarischen Ernährung, in der Abfallvermeidung und im Konsum von saisonalen Lebensmitteln in genannter Reihenfolge.
Fotos: Reinhard Geßl
Rudolf Hoheneder "Hauneda" aus Kirchberg am Wagram
Rudi Hoheneder, seine Frau Irmi und viele Gläser voll buntem Inhalt warten bereits auf ein
Kennenlernen mit uns. Rudi, hauptberuflicher Landwirt, wird uns heute in die Welt der
Fermentation einführen. Auf der Suche nach einer Möglichkeit Überproduktion und nicht
verkäufliche Ware zu verwerten stieß er 2016 auf diese Art des Haltbarmachens und startete
mit ersten Versuchen. Seitdem beschäftigte sich Rudi intensiv mit dem Fermentieren und
schulte bereits 300 Teilnehmer:innen in seinen Kursen. Er nennt das Fermentieren auch
„Kochen ohne Hitze“, da viele Lebensmittel erst durch diesen Prozess genießbar gemacht
werden. Während die unterschiedlichen, bunten Kostproben durchgereicht werden, warnt uns
der Landwirt vor: „Der Geschmack von Fermentationsproduktion ist Gewöhnungssache. Zu
Beginn stufen Testesser:innen Fermentiertes häufig als „zu sauer“ ein. Nicht nur Kimchi ein
'Fermentations-Klassiker‘, sondern auch Grünkohl, Topinambur und Rettich werden zu Munde
geführt. Ganz speziell: Verkostet werden sogar 7 Jahre alte, eingelegte Mangoldstiele. So
probieren wir neugierig ein Produkt nach dem anderen, während Rudi die Grundlagen erläutert:
Die Arbeit der Milchsäurebakterien ist die Basis der Fermentation. Die Bakterien benötigen Kohlehydrate und anaerobe Bedingungen um zu arbeiten. Im Prozess entsteht das Gas Kohlenstoffdioxid (CO2), welches durch den Verschluss nicht austreten kann und sich somit der Druck im Glas erhöht. Dieser Druck in Verbindung mit CO2 sorgt dafür, dass das Eingelegte weich, bekömmlich und haltbar wird. Wird großes Gemüse eingelegt, braucht es länger bis es weich ist. Schneller können die Milchsäurebakterien mit gehobelten, gestampften Gemüse arbeiten. Ein weiterer Tipp des Experten ist zu neuen öl- und säurebeständigen Deckeln für die Einmachgläser zu greifen. Außerdem muss in einem alkalischen, salzhaltigen Milieu gearbeitet werden um Fäulnis zu vermeiden.
Wir legen noch eine kleine Pause ein, bevor es endlich ans Eingemachte geht: Zuerst werden die Hände in 20 % Salzlösung ge-waschen und danach darf sich jede/r ein eigenes Gläschen mit Gemüse-Inhalt zusammenstellen. Auf Schneidbrettern werden Kohlrabistängel, Rettiche, Mangoldstiele und rote Rüben geschnippelt und in die vorbereiteten Gläser eingefüllt. Obendrauf kommen antiseptische Gewürze (0,5 % der Gesamtmenge) wie Pfeffer, Chili, Knoblauch und Wacholder, weil diese die Fermentation fördern. Wichtig ist es, Gemüse mit Zimmertemperatur, also nicht direkt aus dem Kühlschrank, zu verwenden. Der Inhalt wird mit einem Holzstößel gestampft, mit 1,5 prozentiger Salzlösung und einem Schuss Starterkultur (aus einem fertig fermentierten Glas) aufgefüllt und danach mit dem Deckel fest verschraubt. Nach dem Verschließen startet die erste Fermentationsphase und das Glas sollte bei
20 - 25 C° gelagert werden. Eine Woche später, in der zweiten Fermentationsphase, sollte man das Eingemachte an einen Platz mit
12 - 15 C° stellen. Fermentiert man in großen Gläsern, kann später in kleine Behälter umgefüllt werden. Laut Rudi Hoheneder ist die Fermentation „mehr Kunst als Wissenschaft“. Jedes Gemüse ruft eigene Milchsäurebakterien hervor, die hoch probiotisch wirken und „mehr als nur Sauerkraut“ sind. Bevor die Teilnehmer:innen ihre Gläser mit nach Hause nehmen, wird noch fleißig allerlei Fermentiertes von Rudi und Irmi eingekauft. Wie Rudi uns so schön sagte: „Jedes Glas ist ein Erlebnis“. Dieser Workshop war es auf jeden Fall auch.
Fotos: Reinhard Geßl, ÖKL
Bericht: Selina Kräutler