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Spezial-AfterWork

Ab ins Glas - Fermentieren mit Rudi am WeltTellerFeld

am Freitag, 10. November 2023

WeltTellerFeld, 1220 Wien
 

Für die heutige AfterWork Landpartie versammeln wir uns dick eingepackt, in

Jacken und Hauben gehüllt am WeltTellerFeld. Der Herbst ist nun endgültig ein-

gezogen und wir sind gespannt ob noch was am Feld wächst und sprießt. Um

das, und noch viel mehr, herauszufinden startet Charlotte (eine Initiatorin des

WeltTellerFelds) mit ihrer Führung durch das Ernährungssystem.

Danach soll es 400 m Fußweg weiter ins Cafe Schillwasser für den Praxisteil des

heutigen Programmablaufs gehen.
Das WeltTellerFeld ist ein interaktiver Bildungsort der die globalen Zusammen-

hänge unserer Ernährung begreifbar macht. Charlotte zeigt uns anhand eines

Apfels, welche Fläche die Menschheit für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung hat. Nehmen wir an, der Apfel steht für die Erdkugel, bestehen ¾ des Obstes bzw. der Erdoberfläche aus Wasser. Teilt man das verbliebene Apfel-Viertel in zwei Achtel, steht das eine Achtel für Wüste und Eis. Das Zweite muss erneut in 4 Teile geschnitten werden. Ein Teil hiervon sind die Feuchtgebiete, der zweite Anteil stellt versiegelte Flächen dar und das dritte Stück sind Wälder und Wiesen. Was jetzt noch verbleibt ist 1/32 des Apfels bzw. der Welt. Kaum zu glauben: Ausschließlich auf diesem kleinen Teil der Erdoberfläche kann Ackerbau betrieben werden.
Auf einer Schautafel ist das Feld in verschiedene Farben unterteilt die sich auf entsprechend gefärbten Tellern wiederholen und maßstäbl
ich angebaute Kulturen kennzeichnen. Von Trockenreis, zum Olivenbaum bis hin zu Erdnüssen, alles was die Ernährung des/der durchschnittlichen Österreicher:in ausmacht, ist hier auf 3000 m² angebaut.
Die Aufteilung des Feldes macht deutlich, woher unsere Lebensmittel kommen – 45 % aus dem Inland und 55 % aus dem Ausland – und wofür die Flächen gebraucht werden: 67 % der Fläche für Weide und Futterpflanzen, um tierische Produkte herzustellen, 33 % für pflanzliche Lebensmittel. Dort wo noch vor kurzem Mais gepflanzt war, findet sich mittlerweile die Ackerbohne. Sie soll als Winterbegrünung den Boden über den Winter mit Stickstoff anreichern.
Ob für den direkten Konsum vom Menschen ausgegangen wird, oder ob es sich um Futterpflanzen für unsere tierischen Lebensmittel handelt, die dann als Käse, Eier und Fleisch in unserem Bauch landen. Immerhin: ganze 2/3 der Fläche werden ausschließlich dafür angebaut!
Wir essen um die 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr und von diesen belaufen sich ganze 34 kg auf das Schwein, gefolgt von 13 kg Geflügel und 11 kg Rind. Für diese Mengen braucht man um das fast sechsfache an Futter, was natürlich einen Großteil unserer Acker- und Weideflächen in Anspruch nimmt, um die 70% unserer Anbauflächen fließen so in die tierische Produktion. Betrachtet man das Ganze gesundheitlich, wären 15 kg an Fleischkonsum im Jahr bereits das Maximum.
„In der Regel kann man sagen, dass die Ernährung die unserem Körper gut tut auch positiven Einfluss auf die Umwelt hat. Aus der richtigen Lebensmittelwahl ergeben sich positive Synergien mit der gesamten Mitwelt,“ so Charlotte.
Jede/r Konsument:in kann diese positiven Synergien nutzen und die individuellen Ernährungsgewohnheiten beeinflussen. Immerhin macht das jetzige Ernährungssystem ganze 33 % der gesamten Treibhausgasemissionen aus. Die größten individuellen Hebel um positiven Einfluss zu nehmen, liegen in der vegetarischen Ernährung, in der Abfallvermeidung und im Konsum von saisonalen Lebensmitteln in genannter Reihenfolge.

Bevor es in die warme Stube geht, machen wir noch einen kleinen Abstecher zum, im letzten AfterWork gebauten, Folientunnel. Siehe da! Wo es sonst schon karg ist, sprießen zahlreiche Jungpflanzen, im Schutz des Tunnels, frisch und knackig aus der Erde und lassen sich von den kalten Temperaturen nicht beirren.

AfterWork_Fermentieren mit Rudi am WeltTellerFeld (c) Reinhard Geßl_231110 (22).jpg

Fotos: Reinhard Geßl, ÖKL

Rudolf Hoheneder "Hauneda" aus Kirchberg am Wagram

Querfeldein, durch verschiedene Gärten und landwirtschaftliche Projekt geht’s nun zum

Café Schillwasser, wo Rudi und seine Frau Irmi bereits auf uns warten. In einem Neben-

raum, nehmen wir unsere Plätze ein und Rudi, hauptberuflicher Landwirt, führt uns in

die Welt der Fermentation ein. Auf der Suche nach einer Möglichkeit Überproduktion

und nicht verkäufliche Ware zu verwerten stieß er 2016 auf die Fermentation und

startete mit ersten Versuchen. Seitdem beschäftigte sich Rudi intensiv mit der Kunst des

Haltbarmachens und schulte bereits 300 Teilnehmer:innen in seinen Kursen. Er nennt

das Fermentieren auch „Kochen ohne Hitze“, da viele Lebensmittel erst durch diesen

Prozess genießbar gemacht werden.Während die unterschiedliche, bunte Kostproben

durchgereicht werden, warnt uns der Landwirt vor: „Der Geschmack von Fermentations-

produktion ist Gewöhnungssache. Zu Beginn stufen Testesser:innen Fermentiertes

häufig als „zu sauer“ ein. Nicht nur Kimchi ‚ein Fermentations- Klassiker‘, sondern auch

Grünkohl, Topinambur und Knoblauch werden zu Munde geführt. Ganz speziell: Verkostet werden sogar 7 Jahre alte, eingelegte Mangoldstiele. So öffnen und probieren wir neugierig ein Glas nach dem anderen, während Rudi die Grundlagen erläutert: Die Arbeit der Milchsäurebakterien ist die Basis der Fermentation. Die Bakterien benötigen Kohlehydrate und anaerobe Bedingungen um zu arbeiten. Im Prozess entsteht das Gas Kohlenstoffdioxid (CO2), welches durch den Verschluss nicht austreten kann und sich somit der Druck im Glas erhöht. Dieser Druck in Verbindung mit CO2 sorgt dafür, dass das Eingelegte weich, bekömmlich und haltbar wird. Wird großes Gemüse eingelegt, braucht es länger bis es weich ist. Schneller können die Milchsäurebakterien mit gehobelten, gestampften Produkten arbeiten. Ein weiterer Tipp des Experten ist zu neuen öl- und säurebeständigen Deckeln für die Einmachgläser zu greifen. Außerdem muss in einem alkalischen, salzhaltigen Milieu gearbeitet werden um Fäulnis zu vermeiden.

Wir legen noch eine kleine süße Pause mit Glühpunsch und Kuchen ein, bevor es endlich ans Eingemachte geht: Zuerst werden die Hände in 20 % Salzlösung gewaschen und danach darf sich jede/r ein eigenes Gläschen mit Gemüse-Inhalt zusammenstellen. Auf Schneidbrettern werden Kohlrabistängel, Rettiche, Chinakohl und Karotten geschnippelt und in die vorbereiteten Gläser eingefüllt. Obendrauf kommen antiseptische Gewürze wie Pfeffer, Chili, Knoblauch und Wacholder, weil diese die Fermentation fördern. Wichtig ist es, Gemüse mit Zimmertemperatur, also nicht direkt aus dem Kühlschrank, zu verwenden. Der Inhalt wird mit einem Holzstößel gestampft, mit 1,5 prozentiger Salzlösung und einem Schuss Starterkultur (aus einem fertig fermentierten Glas) aufgefüllt und danach mit dem Deckel fest verschraubt. Nach dem Verschließen startet die erste Fermentationsphase und das Glas sollte bei
20- 25 Grad gelagert werden. Eine Woche später, in der zweiten Fermentationsphase, sollte man das Eingemachte an einen Platz mit 12- 15 Grad stellen. Fermentiert man in großen Gläsern, kann später in kleine Behälter umgefüllt werden.
Laut Rudi Hoheneder ist die Fermentation „mehr Kunst als Wissenschaft“. Jedes Gemüse ruft eigene Milchsäurebakterien hervor, die hoch probiotisch wirken und „mehr als nur Sauerkraut“ sind. Bevor die Teilnehmer:innen ihre Gläser mit nach Hause nehmen, wird noch fleißig allerlei Fermentiertes von Rudi und Irmi eingekauft.
Wie Rudi uns so schön sagte: „Jedes Glas ist ein Erlebnis“. Dieser Workshop war es auf jeden Fall auch.

AfterWork_Fermentieren mit Rudi am WeltTellerFeld (c) Reinhard Geßl_231110 (11).jpg

Fotos: Reinhard Geßl, ÖKL

Bericht: Selina Kräutler

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