Das Glück mit dem Pech
16. Februar 2024
Bei strahlendem Sonnenschein, als hätten wir das Wetter
persönlich bestellt, steigen wir in Siebenhirten in den
Gemeinschaftsbus, um unsere erste Landpartie heuer Richtung
Süden zu starten. Kornelia Zipper informiert uns im Bus über
den Grünen Bericht und teilt Daten und Fakten zur österreichischen Landwirtschaft mit. Beispielsweise gibt es 155.000 Betriebe, wovon ca. 75% konventionell und 25% bio bewirtschaftet werden. Es wird der Unterschied zwischen Voll- und Nebenerwerb sowie Erwerbskombination besprochen. Da wir heute einen pauschalierten Land- und Forstwirt besuchen und zusätzlich zur Hofbesichtigung auch einen Spaziergang durch seinen Wald machen, erhalten wir weitere Informationen über die Wälder in Österreich, die mehr als die Hälfte der österreichischen Fläche ausmachen. Insgesamt gibt es 4 Millionen Hektar Wald, wobei 46% Fichte, 10% Buche und 4,8% Lärche ausmachen.
Noch während der Fahrt berichtet uns Sandra Falkner, die Geschäftsführerin von Alpengummi, einem innovativen österreichischen Kaugummi, der aus Baumharz besteht, über die Harzgewinnung und ihre Zusammenarbeit mit Land- und Forstwirten. Sie informiert uns darüber, dass die Pecherei von 1900 bis 1960 in Niederösterreich, insbesondere im Triesting- und Piestingtal, ihre Hochblüte erlebte und für viele Menschen einen bedeutenden Haupterwerbszweig darstellte. Schon in der Steinzeit wurde Harz aufgrund seiner antiseptischen und antibiotischen Eigenschaften genutzt. Während der Ära von Maria Theresia wurden in der Umgebung von Wiener Neustadt gezielt 4 Millionen Schwarzföhren angepflanzt. Dies geschah in Form von Monokulturen mit dem Ziel, das Handwerk in der Region zu fördern.
Anton Weißenberger, Land- und Forstwirt im Vollerwerb mit extensiver Bio-Landwirtschaft und nachhaltiger Forstwirtschaft, steigt am Bahnhof Gutenstein zu uns in den Bus. Er wird uns später bei einem Waldspaziergang erklären, warum und wie er seinen Wald nachhaltig und zukunftsfähig bewirtschaftet. Vor unserem Marsch versammeln wir uns im Kreis und begrüßen Toni Weißenbergers Freund und Vereinskollegen (Verein Keaföhrene) Robert Rendel, einen der letzten Vollerwerbs-Pecher der Region. Er begleitet uns und wird uns zu einem späteren Zeitpunkt weitere spannende Fakten mitteilen. Vor dem Waldspaziergang machen wir einen kurzen Exkurs in die Baumkunde und klären unter anderem den Unterschied zwischen Schwarz- und Weißföhre: „Die Schwarzföhre zeichnet sich durch längere Nadeln und dunklere Rinde aus, während die Weißföhre kürzere Nadeln und eine hellere Rindenfarbe aufweist.“
Toni Weißenberger pflegt in seinem Wald eine nachhaltige Bewirtschaftung ohne Kahlschläge, was zu einer 2-3 Stunden längeren Tauzeit am Morgen führt. Das ist förderlich für den Aufwuchs und das allgemeine Klima im Wald. Dies kommt auch den Waldbewohnern wie Gams, Wildsau und Rotwild zugute, die häufig Flüssigkeit über Gräser im Wald aufnehmen. Auf seinen Flächen findet man vor allem Schwarzkiefern auf felsigem Dolomit. Die Wälder übernehmen verschiedene Funktionen, darunter eine Schutzfunktion im steilen Gelände. Laut Weißenberger "zwickt sich der Tiefwurzler in jede Spalte und fixiert so das Gelände." Zudem erfüllen die Wälder Erholungsfunktionen für den Menschen, dienen der Sauerstoff- und Holzgewinnung und bieten Lebensraum für viele verschiedene Arten.
Schwarzkiefernholz weist spezielle Eigenschaften auf, darunter seine antiseptischen und schädlingsabweisenden Qualitäten, weshalb es häufig in der Herstellung von Schiffscontainern Verwendung findet. Sehr interessant ist es, dass das Holz nicht knarrt, was es zu einer beliebten Wahl für Theaterböden macht.
Toni Weißenberger setzt auf Eigenvermehrung. Das letzte Mal hat er im Jahr 1986 Bäume (Buchen) nachgesetzt, jedoch wurden diese fast alle vom Wild verspeist. Sein Holz verkauft er an ein regionales Sägewerk, und auch Telegrafenmäste werden von ihm angeboten. Das Holzschlägen erfolgt im Winter während der Saftruhe. Ein interessanter Fakt ist, dass Borkenkäfer die Schwarzkiefern verschonen, da das Harz die Larven umschließt und ihre Weiterentwicklung verhindert.
Als wir an einem Harzbaum vorbeimarschieren, erzählt uns Robert Rendl etwas über das Handwerk der Pecherei und klärt noch einmal auf, dass „Pech und Harz dasselbe ist“. Er lässt uns zudem wissen: „Wenn man weiß, wie es geht, kann ein Baum Harz über 40 Jahre hinweg schenken." Jährlich erhält man 2-3 Tassen Harz mit 1 kg pro Tasse pro Baum. Die Hauptsaison ist zwischen März und Oktober, und jede Woche muss der Pecher zu jedem Pechbaum zur Kontrolle, ausgestattet mit Leiter und Werkzeug. In Österreich werden neben Kieferharz auch Lärchen zur Pechgewinnung verwendet, jedoch mit einer anderen Technik.
Schwarzkiefern können sehr alt werden, wobei das Alter nicht unbedingt von der Dicke des Stammes abgeleitet werden kann. Übrigens wurde die älteste österreichische Schwarzkiefer, nahe Waldegg, vor kurzem von der BOKU auf 850 Jahre datiert.
Nach diesem spannenden Spaziergang, voller Informationen zur Land- und Forstwirtschaft, freuen wir uns nun darauf, den Bauernhof von Toni und seiner Frau Gerti zu besuchen. Nachdem wir erneut in den Bus gestiegen sind, geht es ins kleine Dorf Neusiedl. Früher hielt die Familie am Hof noch Milchkühe, aber mit der Zeit rentierte sich die Haltung nicht mehr. Heute züchten die Weißenbergers hauptsächlich Schweine für den Eigenbedarf und halten Hühner. Zusätzlich gibt es Streuobstwiesen und Grünland für die Heugewinnung und den Verkauf. Seit der Corona-Pandemie betreiben Toni und Gerti erfolgreich einen Hofladen mit Marmeladen, Eiern, Most und Essig. Neben der Direktvermarktung betreiben sie auch Camping am Bauernhof, um Menschen aus ganz Österreich bei sich willkommen zu heißen.
Toni, Gerti und ihre drei Kinder arbeiten als Familienbetrieb zusammen, um die Erwerbskombination mit den vielen Standbeinen zu bewältigen. Die Hofnachfolge ist bereits innerfamiliär geklärt, jedoch bleibt die Frage offen, ob der Betrieb weiterhin im Vollerwerb bestehen kann, was sich erst in den nächsten Jahren zeigen wird.
Nach diesen interessanten Gesprächen wird die Gruppe mit verschiedenen hausgemachten Kostproben verwöhnt: Glühmost, Apfelsaft und belegte Brote mit Bluzn, Speck und Schmalz aus eigener Produktion erfreuen die Teilnehmer:innen. Während der Jause entstehen weitere lebhafte Diskussionen und Gespräche über den land- und forstwirtschaftlichen Alltag. Nach ausgiebigem Produktshopping steigen wir müde, aber zufrieden, in den Bus und werden zurück in die Stadt chauffiert.
Bio-Betrieb Anton Weißenberger
Löschteichweg 2
2763 Neusiedl
https://www.waidmannsfeld.gv.at/Anton_Weissenberger
https://www.pecherei-fam-rendl.at/
Foto: Brigitte Parnigoni
Fotos: ÖKL