Dorf in der Stadt:
Leopoldauer Schweine & Gemüse
Unsere Landpartie führt diesmal nicht direkt hinaus aufs Land.
Mit dem Bus, diesmal mit öffentlichem Chauffeur oder dem
Fahrrad, bekommen die Teilnehmer:innen einen Einblick in zwei
Bio-Höfe die in Spazier-Reichweite zueinander sind und uns ein
weiteres Mal in die Wiener Landwirtschaft schnuppern lassen.
Bio-Gemüse seit 1989 und zuckersüße Ferkel im erst kürzlich
fertig gestellten Vorzeige-Stall erwarten uns an diesem
sommerlichen Freitag.
Biobauernhof Prohaska
Um 15 Uhr treffen wir uns unter dem Walnussbaum im Garten der Familie Prohaska. Wir befinden uns im 21. Bezirk der Stadt Wien, genauer am Leopoldauer Platz 4. Ländliches Ambiente ist von der Straßenkreuzung aus kaum zu erahnen, doch einmal durch die Türe und die Großstadt Wien bleibt hinter einer/einem zurück.
Grete Prohaska, deren Familie der Hof bereits seit mehreren Generationen gehört, erzählt über die Entwicklungen besonders nach 1989, denn in diesem Jahr übernahm sie zusammen mit ihrem Mann die Landwirtschaft und sie entschieden, ab sofort auf Bio-Landbau umzusteigen. Sie sind einer der Wenigen, welche innerhalb der Stadtgrenze bis heute auch noch eine aktive Bauernwirtschaft betreiben. Denn: früher besiedelten ganze 13 Bauernhöfe den Leopoldauer Platz, heute sind es noch fünf.
Kleiner Faktencheck: Von allen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben in Österreich, das sind 156.000, sind gerade einmal 0.42% in Wien angesiedelt, also 650 Betriebe. Dabei wäre die Nähe zu Ballungsräumen für eine regionale Versorgung sinnvoll. Immerhin verbraucht jede:r einzelne von uns 118 kg Gemüse pro Jahr und nur etwa die Hälfte davon kann Österreich durch Eigenproduktion abdecken.
Der Umstieg auf biologischen Anbau war für die Prohaskas, ebenso wie für viele andere Bauernhöfe zu der damaligen Zeit ein Experiment, das sie aber nicht alleine versuchen wollten. Durch Austauschgruppen konnte ein gemeinsamer Weg und Zugang zum eigenen Bio-Hof gefunden werden. Heute bestimmen Fruchtfolge, ein schonender Umgang mit dem Boden, durch ein hohes Maß an Handarbeit und die anhaltende Freude am experimentellen Zugang, die Gemüseproduktion.
Wir wandern hinaus zu den Feldern, die sich direkt hinter dem Stadltor befinden. Die Sonne lacht uns entgegen, sodass man sich fragen muss, wie man in der Früh denken konnte, eine lange schwarze Hose sei die richtige Kleiderwahl. Auf einer kleinen Erhöhung zwischen den Gemüsefeldern erfahren wir, dass die nicht einmal einen Hektar große Fläche vor uns, für das gesamte Sommergemüse verwendet wird. Hier teilen sich Salate, Paprika und Mangold eine Zeile und sind direkte Nachbarn von Zuckermais und nur ein Stückchen weiter die Paradeiser-Raritäten. Insgesamt bewirtschaften die Prohaskas 43 ha, welche bis auf das Land direkt hinter ihrem Hof großteils alle gepachtet sind und sich auch hauptsächlich in Gerasdorf befinden. Doch das lässt uns Grete auch wissen: „Den tollsten Ertrag hat man mit einer solch kleinen, gemischten Fläche!“ Wir stapfen über Stock und Stein und sehen uns die ganze Vielfalt mitsamt Bienenstöcken, Süßkartoffel und einer kleinen aber feinen Geräteschau an, um unsere Runde dann beim üppig gedeckten Verkostungstisch abzuschließen. Noch schnell ein paar Abstecher im Hofladen und schon spazieren wir mit vollen Gemüse-Sackerln zu unserem zweiten Halt des Tages.
Fotos: Reinhard Gessl, Josef Jarisch, ÖKL
Biohof Maurer
Andi Maurer und seine Eltern lachen uns schon entgegen; wir werden erwartet. Direkt hinter uns: der neu installierte Lebensmittelautomat mit Ölen, Aufstrichen und ab 5. September auch eigenem Fleisch! Der Hof ist relativ jung, denn die Schweinezucht und Mast war für die ganze Familie bis vor kurzem noch Neuland. Sie besitzen um die 40 ha Ackerflächen, welche für die eigene Futtermittelproduktion verwendet werden und künftig auch in der hofeigenen Mast eingesetzt werden.
Nach einem Desinfizieren unserer Schuhe, um die Schweine vor möglichen Krankheiten zu bewahren, bestaunen wir den Hauptdarsteller des Geschehens: Meister Eber - ein 225 kg handzahmer Pietrain-Eber. Gleich nebenan: die trächtigen Sauen, sowie in Buchten zum Zurückziehen die bereits sich in Mutterschaft befindenden Damen Resi, Gundi (kurz vor der Geburt stehend), Kamilla und Sissi.
Der Innenhof ist eigentlich ein einziger Schweineauslauf, mit Suhle und Schattenbaum, der das ganze Jahr über frei zum ein und ausgehen zur Verfügung steht. Der große Offenfrontstall liegt direkt daneben mit 9 großen Buchten für die Muttersauen mit ihren Würfen. Wobei hier wirklich auf ausreichend Platz geachtet wurde; nicht nur dass die Bio-Auflagen erfüllt sind, sondern die Vorgaben werden um fast das doppelte überschritten! Ihr größter Wurf waren bisher 16 Ferkel, doch da, erklärt uns Andreas, sei es schon schwierig dass alle durchkommen. Denn: hat sich ein Ferkel für eine Zitze entschieden hat, bleibt das seine/ihre und hier wird nicht geteilt.
Es folgt eine lebendige, informative Einführung in die Muttersauenhaltung. Neben und vor uns die stets quirligen Ferkelscharen, die neugierig ihre Rüssel zu uns strecken. Fast ein bisschen zu süß um nicht zu vergessen, dass man Andis Erklärungen auch folgen möchte. Die Sauen sind allesamt Schwäbisch-Hällische Landschweine, eine alte Nutztierrasse, die dafür bekannt ist besonders führsorglich mit ihrem Nachwuchs umzugehen. Nach der Befruchtung sind es dann genau 3 Monate 3 Wochen und 3 Tage bis zur Geburt der Ferkel, die dann bis zu maximal 8 Wochen zusammen mit ihrer Mutter eine Bucht bewohnen. Die Jungschweine bekommen über diese Zeit immer mehr zusätzliches Futter und nach den zwei Monaten ist es dann Zeit sie von der Mutter zu trennen, um noch 4 Wochen mit Gleichaltrigen und einem neuen Futterplan am Hof zu bleiben. Danach geht es dann weiter zu dem Mastbetrieb, wo es erst nach zirka 1 ½ Jahren zur Schlachtung kommt. Im Vergleich: in der konventionellen Landwirtschaft wird der ganze Prozess innerhalb von 6 Monaten durchlaufen.
Bereits 50 Abferkelungen gab es schon am Maurer-Hof und von diesen, erfahren wir weiter, kam es nur zweimal vor dass die Sau Traurigkeit zeigte. Vielmehr merkt man ab einem Alter der Ferkel von etwa 4 Wochen bereits eine selbstständige Entwöhnung bei den Tieren. Andi steht die ganze Zeit zwischen den Schweinen im Heu, die um seine Beine wuseln und an seinen Schuhen schnuppern. Eines der Kleinen erlaubt uns sogar es ein bisschen zu streicheln, bevor es dann doch anfing beleidigt zu quicken. Ein absolutes kleines, großes Highlight der Landpartie.
Zum wunderbaren Ausklang gab es für die AfterWork Partie noch Sonnenblumen- und Kürbiskernöle sowie Schmalz, Leberstreichwurst und großartigen Speck zum Verkosten.
Bericht: Nadine Nachtmann
Fotos: Reinhard Gessl, Josef Jarisch, ÖKL