




Besonderes im Seewinkel:
Steppenduft & Mangalitza
Freitag, 26. Juli 2024
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An einem sonnigen Hochsommernachmittag steigen wir in Erdberg in den Gemeinschaftsbus und begeben uns in den Seewinkel! Auf dem Programm stehen zwei Betriebe in Frauenkirchen, die unterschiedlicher nicht sein können! Einer hat sich im Rahmen der Diversifizierung auf Düfte spezialisiert, kultiviert über 40 heimische und exotische Duftpflanzen und hat sich als „Duftbauer“ einen Namen gemacht. Der andere hält derzeit 180 Schweine in ganzjähriger Freilandhaltung, vor allem Mangalitza-Schweine, eine „seltene Nutztierrasse“, die ursprünglich aus Ungarn stammt. Aber mehr dazu später …
… Auf der Fahrt stimmt uns Kornelia Zipper, die Leiterin des Formates „AfterWork am Bauernhof“, auf das Thema Landwirtschaft in Österreich ein: Laut Grünem Bericht gibt es derzeit 110.000 landwirtschaftliche Betriebe in Österreich (das sind Betriebe mit landwirtschaftlicher Fläche bzw. Nutztierhaltung – Quelle: Grüner Bericht 2023). Rund ein Viertel davon wirtschaftet biologisch, drei Viertel konventionell und nur ein Drittel der Betriebe wird im „Vollerwerb“ geführt. Leider schließen jeden Tag 7 bis 10 Betriebe aus unterschiedlichen Gründen für immer ihre Hoftüren.
Da wir uns heute einen Schweinebetrieb anschauen, erfahren wir einige wichtige Eckdaten zur Schweinehaltung in Österreich. Derzeit gibt es bei uns ca. 19.000 schweinehaltende Betriebe. 1995 waren es noch 112.000. Was nicht heißt, dass die Anzahl der Schweine gesunken ist, nein, die Betriebsstrukturen und -größen haben sich verändert - die Betriebe werden größer und die Tierzahlen am Betrieb steigen. 4,8 Millionen Schweine werden pro Jahr in Österreich geschlachtet, es geht um 480.000 Tonnen Fleisch. Der Selbstversorgungsgrad bei Schweinfleisch ist sogar etwas über 100 Prozent, die und der Österreicher:in isst im Jahr ca. 34 kg Schweinefleisch – insgesamt werden ca. 60 kg Fleisch verzehrt. 92 Prozent der Tiere werden konventionell auf Vollspaltenböden gehalten - diese Haltungsform wird zugunsten von mehr Tierwohl in naher Zukunft umgestellt. Nur 4 Prozent der Schweine leben auf Biobetrieben, wo die Tiere doppelt soviel Platz haben, der Auslauf verpflichtend ist, Einstreu vorhanden sein muss und der Vollspaltenboden verboten ist. Weitere 4 Prozent der Schweine werden nach unterschiedlichen „tierfreundlichen“ Programmen gehalten. Was wir heute sehen, nämlich die ganzjährige Freilandhaltung, „genießen“ nur 0,05 der Schweine!
Steppenduft, Frauenkirchen, Burgenland
Nach einer knappen Fahrzeit erreichen wir Frauenkirchen und werden am Betrieb „Steppenduft“ vom Betriebsleiter Stefan Zwickl begrüßt. In ungemein lebendiger und lustiger Art erzählt er kurz die „Geschichte“: Als Sohn des Erdäpfel- und Schweinebetriebes hat er sich schon als Kind eher für die Duftpflanzen in Mutters Garten als für die herkömmliche Landwirtschaft interessiert und angefangen, darüber zu lesen und herum zu experimentieren. Er besuchte die Landwirtschaftliche Fachschule Wieselburg und absolvierte das Landwirtschaftsstudium an der BOKU, doch diese Lust an Gerüchen und Düften wurde zur Leidenschaft und als junger Erwachsener reifte die Idee zum ausgeklügelten Plan, den elterlichen Betrieb umzustellen, zu „diversifizieren“. Zuerst wurde Stefan Zwickl noch belächelt und nicht ganz ernst genommen. Doch dann folgten große Schritte: die Eltern waren einverstanden mit dem Anbau von heimischen und exotischen Duftpflanzen auf ca. 5 Hektar des 100 Hektar Betriebes und mit dem Umbau des Schweinestalls zum Duftatelier.
In diesem Duftatelier stehen wir AfterWork-Teilnehmer:innen nun – ein wunderschöner großer, heller Raum, der wirklich an ein Atelier oder an eine Kunstgalerie erinnert. Stefan Zwickl beginnt auf höchst humorvolle Weise von der Herstellung der Düfte zu erzählen, zum Beispiel von der Kreation des „Klosterduftes“ als Kirchgang-Ersatz in Coronazeiten oder des „Schlossduftes“ für Philippa vom Schloss Halbturn oder des „Leseduftes“, er erklärt uns die wichtige Rolle des Urlaubs vom Papa, zeigt uns den Kupferkessel nach Leonardo Da Vinci, erzählt, wie ihn Michael Schottenberg zum „Parfumeur im Saustall“ machte, was das mit Wick Vaporub zu tun hat und und und. Wirklich kabarettreif! Aber wir lernen auch dazu:
Düfte werden ähnlich wie Schnaps „destilliert“, nur halt ohne Alkohol – die getrockneten Blätter oder Blüten, in denen sich die ätherischen Öle befinden, werden mit Wasserdampf von unten behandelt, mit Hilfe von Eis kondensiert der Dampf, das Wasser wird abgeleitet und hier entsteht der konzentrierte Duft als wertvolles Duftöl oder Hydrolat. Oder so ähnlich …..
50 kg Lavendelblüten ergeben zum Beispiel 280 Milliliter Duftöl. Stefan versprüht einige seiner Kreationen über unsere Köpfe und wir bekommen einen duftigen Eindruck seiner Kunst!
Dann gehen wir auf die Duftfelder und erleben eine wirkliche Pracht – obwohl jetzt im Juli manches nicht mehr blüht bzw. schon geerntet wurde: Marzipansalbei, Rosenthymian, Limonadenpflanze, Arabische Ringelblume, Duftgeranie, Lemongras, Currykraut, Ananassalbei, Apfelminze, Orangenminze, Orangentagetes, Anisysop, Colakraut, Duftmajoran, sogar ein kleiner Eucalyptushain! Wir pflücken, zerreiben, schnuppern – und sind begeistert! Danach dürfen wir bei einem kalten Glas Weißwein im Duftatelier mit den Testsprühern unseren Lieblingsdüften suchen, finden und kaufen!
Steppenduft, Stefan Zwickl
Maria Weitner-Platz 28
7132 Frauenkirchen
www.steppenduft.at
Fotos: ÖKL, Koliha
Biobetrieb Göltl, Frauenkirchen, Burgenland
Die nächste Station ist gar nicht weit! Herr Göltl, Bio-Schweinebauer in Frauenkirchen, setzt sich zu uns in den Bus und wir fahren zu einem seiner 13 Gehege, und zwar zu einem, das im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel liegt. Wie schon bei der Einführung im Bus erwähnt: Josef Göltl führt einen der sehr wenigen Schweinebetriebe in Österreich, die die Tiere das ganze Jahr über in Freilandhaltung haben. Deshalb sind es keine üblichen „Hausschweine“, die mit ihrer rosa Haut im Sommer Sonnenbrand bekämen und im Winter die Kälte nicht aushalten würden, sondern „alte“, sehr robuste Rassen, in erster Linie Mangalitza Schweine, daneben auch Turopolje und Schwäbisch-Hällische. Diese kommen mit ihrer „Wolle“ (Mangalitza werden auch Wollschweine genannt) gut im Freien zurecht und fühlen sich zu jeder Jahreszeit, auch bei Minusgraden, draußen wohl, es gibt nur einfache Unterstände. Platz haben die Tiere genug, es gibt Erde zum Wühlen, Wasser für das Schlammbad und natürlich zum Trinken, niedrigen Bewuchs und Schatten spendende Bäume. Zuerst betrachten wir die Tiere noch von Weitem, aber dann macht Herr Göltl das Gatter auf und die, die Lust haben, gehen zu den Tieren hinein, die auch zahlreich, keck und neugierig mit uns auf Tuchfühlung gehen!
Das Hauptfutter ist Luzerne, auch Schneckenklee genannt. Joe Göltl besucht alle Gehege an jedem Tag, schaut nach den Tieren und nach dem Zaun (Gefahr der Übertragung von Schweinepest durch Wildschweine!) und bringt frisches Futter. Derzeit hat der Betrieb 180 Mastschweine und Zuchtsauen sowie einen Eber. Die Tiere werden ca. 20 Monate alt, bis sie mit der Elektrozange stressfrei betäubt und dann getötet werden. Herkömmliche Mastschweine werden schon mit ca. 6 Monaten geschlachtet. Die Kosten für den Tierarzt sind bei dieser tierfreundlichen Haltung denkbar niedrig, nur für die Kastration der Tiere muss er geholt werden. Dass nur durch Luzerne, ab und zu Kartoffel, Kürbis und Äpfel – kein Soja, keine Erbsen, kein Kraftfutter! – so viel Speck entstehen kann, ist fast unvorstellbar. Aber gerade das Fett ist beim Mangalitza-Schwein die Spezialität, wenn es fast reinweiß, dünn geschnitten und butterweich als Lardo auf den Teller und unsere Gaumen kommt! Mehr als 10 Zentimeter dick wird so ein Rückenspeck, nach 5 Monaten Lagerung in Salz ist er eine von vielen hoch geschätzte Delikatesse. Der Betrieb Göltl schlachtet die Tiere zwar selbst (10 Stück im Monat), die Verarbeitung zu den unterschiedlichen Schinken, Lardo, Salami, Würsten etc. übernimmt seit Jahren die Thum Schinken Manufaktur in Wien. Frischfleisch wird direkt ab Hof verkauft.
Und dann ist es „endlich“ soweit, wir fahren die kurze Strecke mit dem Bus zum Göltl-Hof und dürfen die Produkte im Schatten eines riesigen Blauglockenbaumes verkosten. Dazu schmeckt uns eisgekühlter Apfelsaft und Weißwein. Herr Göltl beantwortet noch viele Fragen, während wir uns gütlich tun. Und dann steht uns der liebevoll gestaltete und gut sortierete Hofladen offen und wir können die Mangalitza-Spezialtäten und noch vieles mehr einkaufen, für uns selbst oder als Mitbringsel für unsere Lieben!
Biobetrieb Elena und Josef Göltl
Kanalgasse 5
7132 Frauenkirchen
www.goejo.at
Fotos: ÖKL, Koliha, Velencsics