Schwein gehabt - Tierwohl in der Schweinehaltung
21. Juni 2024
An einem heißen sommerlichen Nachmittag versammeln
sich die Teilnehmer:innen beim Biohof Maurer mitten in
der Stadt in Wien zu einem besonderen AfterWork-Event.
Heute steht ein interaktives und vertiefendes Format zum
Thema Tierwohl in der Schweinehaltung auf dem
Programm, gemeinsam mit Biobauer Andi Maurer und
dem Nutztierhaltungsexperten Reinhard Geßl vom FiBL.
Biohof Maurer, 1210 Wien
Beim Betreten des Hofes fällt sofort der Blick auf die Zuchtsauen in ihrer Suhle und wir denken uns, dass Maurers Tiere tatsächlich „Schwein haben.“ Bei sengender Hitze genießen die Tiere das kühle Nass, tauchen zeitweise ganz ab und wühlen sich wohlig im Schlamm. Andi Maurer begrüßt die Teilnehmer:innen herzlich am Biohof. Anschließend führt Kornelia Zipper in das Format AfterWork am Bauernhof ein und bespricht einige Daten und Fakten zur Landwirtschaft in Österreich, insbesondere zur Schweinehaltung.
1995 gab es in Österreich 112.000 schweinehaltende Betriebe, heutzutage sind es nur noch 19.200, obwohl die Anzahl der Tiere sogar leicht gestiegen ist. Der/die Österreicher:in isst urchschnittlich ca. 60 kg Fleisch pro Jahr, davon 34 kg Schweinefleisch, was es zum Lieblingsfleisch der Österreicher:innen macht. Im Handel sind lediglich 4 Prozent Bio-Schweinefleisch verfügbar, und nur 1,8 Prozent der Schweine werden in Österreich biologisch gehalten. Der Selbstversorgungsgrad für Schweinefleisch liegt bei 108 Prozent, während er für Gemüse nur 57 Prozent beträgt.
Nach dieser Einleitung startet Andi Maurer mit der Betriebsbesichtigung und erzählt die Geschichte des Hofes, der seit 1646 in Familienbesitz ist. Früher lag der betriebliche Fokus auf Zuckerrüben, seit 2015 wirtschaftet die Familie jedoch biologisch. Die Motivation, unabhängiger von der Zuckerrübe zu werden, brachte die Familie zur Tierhaltung, die zunächst rein für den Eigenverbrauch gedacht war. Schnell wurde jedoch klar, dass die Schweinehaltung der betriebliche Schwerpunkt werden sollte. 2019 begann Andi Maurer mit dem Bau des Außenklimaschweinestalls mit "Welser Buchten" und er unterstreicht: „Ich bin wirklich froh über die Entscheidung, Schweine zu halten, und würde es immer wieder so machen.“ Insgesamt tummeln sich 120 Schweine am Hof, darunter 20 Zuchtsauen, Mastschweine und Ferkel, in biologischer Haltung. Der Stall ist sehr großzügig gebaut und mit dem extra Auslauf bietet er den Tieren sogar 50 Prozent mehr Platz als es die Bio-Vorgaben vorschreiben. Außerdem hält die Familie 410 Legehennen in zwei mobilen Ställen,
6 Ziegen und zwei Pferde.
Auf seinen Ackerflächen baut Andi als Futter für die Tiere unter anderem Triticale, Gerste, Hafer, Mais und Erbsen an. Er kultiviert auch Sojabohnen, Kürbisse und heuer erstmalig auch Erdnüsse. Insgesamt wird eine Ackerfläche von 40 Hektar (30 Hektar davon im Marchfeld und der Rest ist in Wien) bewirtschaftet.
Vor zwei Jahren begann die Familie mit der Direktvermarktung per Automat, wobei man praktischerweise online überprüfen kann, was gerade verfügbar ist. Auf die Frage einer Teilnehmerin, wie das mit dem Schlachten abläuft, antwortet Maurer: „Zwei Schweine werden alle zwei Wochen in Aderklaa beim Biohof Harbich geschlachtet. Bis zur Betäubung sieht das Tier nur mich, den es von Beginn an kennt und vertraut.“ Er betont, dass die Landwirtschaft für ihn eine Berufung ist. Er lässt uns außerdem wissen, dass Schlachtung in großen Betrieben wesentlich günstiger als bei ihm sei.
Während der Führung durch die Stallungen erklärt der Landwirt das Komfortverhalten der Schweine während wir diese nochmals in ihrer „Gatsch-Suhle“ betrachten. Schweine können nicht schwitzen und brauchen daher Wasserlöcher zum Suhlen, um sich abzukühlen, was in den Bio-Vorgaben keine zwingende Maßnahme ist. Die Hauptschweinerasse am Hof ist das Schwäbisch-Hällische Landschwein, das durch gute Fleischqualität und geringe Ferkelverluste auffällt. Schweine sind die saubersten Nutztiere, wenn das Stallsystem funktioniert. Sie legen extra Kotplätze an und sind generell sehr reinlich.
Die Schwangerschaftsdauer einer Sau ist leicht zu merken: 3 Monate, 3 Wochen und 3 Tage. Die Ferkel dürfen am Biohof Maurer sieben Wochen bei der Mutter bleiben, im Vergleich zur konventionellen Haltung, wo es nur 3-4 Wochen sind. In der Mutterbucht sind eigene Ferkelnester vorhanden, die auch im Winter auf 20-30 Grad beheizt werden können. Bei der Fütterung, deren Futtermischung selbst hergestellt wird, verschließt Maurer die Fressstände für 20 Minuten, sodass seine Sauen in Ruhe fressen können.
Wir dürfen auch Meister Eber kennenlernen, ein 250 kg schwerer Pietrain-Eber, der zusammen mit den Sauen gehalten wird – Andi Maurer erhofft sich dadurch eine höhere Besamungsrate. Ein Nachteil der gemeinsamen Haltung ist jedoch, dass das genaue Datum der Abferkelung nicht so präzise vorhergesagt werden kann. Lisa, die Frau von Andi Maurer, ist Veterinärmedizinerin und verfügt vor Ort über ein mobiles Ultraschallgerät, um den Fortschritt der Schwangerschaften abzuschätzen.
Nach der Führung durch die verschiedenen Buchten und den Freilandbereich versammeln wir uns wieder in der Halle, und Reinhard Geßl übernimmt den interaktiven Part mit einem kurzem Impulsvortrag. Er fragt in die Runde, was Tiergerechtigkeit bedeutet. Eine Teilnehmerin überlegt sehr richtig: „Tiergerecht ist das Verhalten, das ein Tier von sich aus in der Natur machen würde.“ Und was wollen Tiere machen? Sie wollen fressen, schlafen, ruhen, ausscheiden und Komfortverhalten ausüben.
Schweine orientieren sich sehr stark mit dem Geruchssinn – sie sehen kaum etwas. Vollspaltenböden sind daher problematisch, da hier Kot und Urin durch die Spalten hinuntergedrückt werden und dort zu Gülle umgewandelt werden, wobei das stark riechende Ammoniak entsteht. Die Gülle wird also direkt unter den Tieren gelagert. Aufgrund der hohen Geruchsbelastung ist es für Schweine besonders belastend, auf Vollspalten zu stehen. Daher ist ein gutes Belüftungssystem das A und O in der Schweinehaltung.
In freier Wildbahn verbringen Schweine zwei Drittel des Tages mit der Futtersuche. In der Regel werden in der Mastschweinehaltung 4 Minuten für die Fütterung eingeplant.
Nun erhalten die Teilnehmer:innen ein Ethogramm zur Dokumentation verschiedener Verhaltensweisen. Sie sollen anhand eigener Beobachtungen festhalten, wie häufig bestimmte Verhaltensweisen auftreten, wie z.B. Nahrungsaufnahme (Wühlen, mit der Zunge abtasten, Kauen), Ruheverhalten (Liegen, Schlafen), Sozialverhalten und Komfortverhalten (Körperpflege).
Zusätzlich werden die Teilnehmenden gebeten Skizzen der Stallungen anzufertigen, die später gemeinsam mit Andi Maurer anhand eines Holzpuzzles diskutiert werden sollen. Nach den individuellen Beobachtungen versammeln wir uns wieder und besprechen mit Reinhard Geßl das Beobachtete. Es ist bemerkenswert, dass im Stall des Biohofs Maurer eine Vielzahl unterschiedlicher Verhaltensweisen beobachtet werden kann – ein deutlicher Indikator für das Tierwohl. Besonders auffällig ist, dass die Tiere regelmäßig mit Stroh spielen, was wichtig ist, um Langeweile vorzubeugen.
Anschließend begeben wir uns aus der Hitze zurück in die Halle, um die köstlichen Produkte wie Salami, Leberaufstrich, Grammelschmalz, Eiaufstrich, Speck und Hartwürsten zu verkosten.
Nach dieser wohlverdienten Pause widmen wir uns gezielt weiteren Themen. Zunächst betrachten wir die österreichische Schweinehaltung im internationalen Vergleich. Wir erfahren, dass EU-weit dieselben Mindeststandards gelten. Auf nationaler Ebene weist die Fleischverarbeitung vergleichsweise hohe Standards auf. Im Vergleich zwischen konventioneller und bio-zertifizierter Schlachtung gibt es keine Unterschiede, jedoch dürfen Bio-Schweine aus Gründen der Trennung der Warenflüsse nur in bio-zertifizierten Schlachthöfen geschlachtet werden.
Was die Haltungsvorschriften betrifft, erhält ein Mastschwein aus konventioneller Haltung EU-weit 0,65 m² Platz, in Österreich etwas mehr mit 0,8 m². Ein EU-Bio-Schwein hingegen hat Anspruch auf 1,3 m² Stallfläche plus 1 m² Auslauf.
Nach einigen Wortmeldungen der Teilnehmerinnen betont Andi Maurer: "Wo Bio draufsteht, ist Bio drinnen. Und das wird einmal im Jahr kontrolliert, einschließlich aller Mengenflüsse." Er resümiert: „Das Beste, was Konsument:innen ohnehin tun können, ist weniger Fleisch zu essen. Damit macht ihr für euch selbst, dem Tierwohl und der Umwelt etwas Gutes.“
Zum Ende lädt uns Andi noch ein, den mobilen Legehennenstall zu besuchen. Hier findet die informative Veranstaltung ihren Abschluss, und einige Teilnehmer:innen nutzen die Gelegenheit für ein Selfie mit den neugierigen Henderln.
Biohof Maurer
Leopoldauerplatz 17, 1210 Wien
Fotos: ÖKL, Reinhard Geßl