




AfterWork
Süß-Sauer
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Freitag, 6. Juni 2025
Bei strahlendem Sommerwetter geht es am Freitag mit dem Gemeinschaftsbus von Floridsdorf in Richtung Wachau – eine Afterwork-Landpartie im Zeichen süß-saurer Spezialitäten: Marille und Balsamico.
Bevor wir ankommen, stimmt uns im Bus Selina Kräutler thematisch ein: Wir sprechen über die österreichische Landwirtschaft, über Essig und Marillen, über Anbau und Verarbeitung und über geschützte Ursprungsbezeichnungen. Wir lernen, dass zwei von drei Marillen im Supermarkt aus Niederösterreich kommen und die Frucht ursprünglich aus China stammt, wo sie bereits vor über 4.000 Jahren kultiviert wurde. Auch zum Essig gibt es interessante Fakten – z.B., dass der Balsamico ursprünglich aus Modena in Italien stammt und durch die Gärung von Alkohol zu Essigsäure entsteht. Essig ist also ein Naturprodukt, das durch die Arbeit spezieller Essigbakterien entsteht.
Lilli's Marillengarten, Paudorf, NÖ
In Paudorf begrüßen uns Katharina und Harald Aufreiter sehr herzlich. Bevor es in die Marillenanlage geht, dürfen wir einen Blick in die Verarbeitungsräume werfen – wir sehen live, wie Chutney in Gläser abgefüllt wird, sprechen über verschiedene Produkte und Besonderheiten wie Persipan – eine Marzipan-Alternative aus Marillenkernen. Die Kerne werden über Tage gewässert (das Wasser wird täglich gewechselt), um die Blausäure zu entziehen, und anschließend geröstet und dann zu Persipan weiterverarbeitet.
Die Aufreiters arbeiten sehr nachhaltig: Auf dem Hof gibt es eine Solaranlage sowie ein kleines „Kernkraftwerk“ – gemeint ist die Nutzung der Marillenkern-Schalen zur Wärme- und Energiegewinnung.
Wir lernen, dass sie rund 3.500 Marillenbäume bewirtschaften und – je nach Witterung und Spätfrost – zwischen 20 und 100 Tonnen Marillen pro Jahr verarbeiten. Vor allem der Spätfrost ist eine Herausforderung, weshalb man in der Region selten ausschließlich auf Marille setzt – so auch bei Familie Aufreiter, die zusätzlich Wein anbaut.
Dann geht es in die extensive Marillenanlage mit traumhaftem Blick über die Donau. Harald Aufreiter führt uns durch die Plantage und erklärt, dass sie überwiegend zehn alte Marillensorten kultivieren, die sie auch selbst veredeln. Insgesamt gibt es weltweit über 1.000 Sorten. Die Wachau bietet durch ihr Mikroklima, den Lössboden und die typische Terrassierung ideale Bedingungen für den Marillenanbau.
Wir sprechen über Krankheiten wie Monilia, die Scharka-Krankheit und Phytoplasmose („wenn den Baum der Schlag trifft“). Auch auf das Veredelungsverfahren wird eingegangen. Die Unterlage ist immer Zwetschke. Ein weiterer interessanter Fakt zum leicht merken: Von der Blüte bis zur Ernte vergehen rund 100 Tage. Ein besonderer Moment: Beim Spaziergang durch den Garten entdecken wir Bienenfresser-Löcher – und genau zur richtigen Zeit fliegt ein Bienenfresser über unsere Köpfe.
Zurück am Hof sehen wir einen kurzen Film über den Hof und die Region, danach gibt es eine Verkostung von Marillenkren und Marillenmarmelade, Marillentraum und Nektar. Katharina Aufreiter erklärt uns die gesundheitsfördernden Wirkungen der Marille:
– Sie ist reich an Vitamin C, Beta-Carotin und Eisen
– Marillenöl (aus dem Kern) wirkt pflegend für Haut und Haare
– Aufgrund ihres niedrigen glykämischen Index ist die Marille (in Maßen) auch für Menschen mit Diabetes geeignet
Danach geht es in die Destillerie, wo wir die Unterschiede zwischen Schnaps und Edelbrand besprechen:
– Edelbrand wird ausschließlich aus dem vergorenen Urprodukt destilliert, ohne jegliche Zusätze
– Schnaps kann auch durch Mischen von Alkohol mit Aromen oder Fruchtauszügen entstehen
Es gibt eine letzte Verkostung – von Schnaps, Likör und sogar Persipanschokolade – bevor der Hofladen erkundet wird.
Lillis Marillengarten - Wachauer Marillen Manufaktur
Marillengarten 1
3508 Paudorf
Balsamico-Manufaktur MAYER+MAYER, Krems, NÖ
Am späten Nachmittag fahren wir weiter nach Krems. Dort erwartet uns Anna Kaiblinger von der Balsamico-Manufaktur Mayer und Mayer. Sie holt uns persönlich vom Bus ab und gemeinsam spazieren wir hinauf zur Manufaktur. Der Empfang ist köstlich:
– Brownie mit Balsamico-Erdbeeren, Chicorée mit Balsamico und Zucchini eingelegt in Balsamico
Anna führt uns mit Begeisterung durch ihre Welt: Sie hat den Betrieb 2024 übernommen und stellt hochwertigen Balsamico-Essig mit hohem Anspruch an Geschmack her. Ihre Devise: Keine Aromen, kein Zucker, keine Zusätze – nur das pure Produkt.
Zunächst wird Wein produziert, der zur Basis des Essigs wird. Dann kommt Essig vom Vorjahr hinzu, um den Gärprozess zu starten – ein Verfahren, das klassische Weinbauern eher fürchten, denn die Essigsäurebakterien könnten auf den Wein übergehen.
Im Produktionsraum riecht es intensiv: Hier entsteht Essig durch das sogenannte Submersverfahren – dabei wird Sauerstoff mithilfe von Rührtechnik im Wein verteilt, wodurch die Essigbakterien arbeiten können. Im Anschluss wird ein konzentrierter Dicksaft aus eingekochten Trauben hinzugefügt. Der fertige Essig hat in der Regel einen Säuregehalt von 6 % – ein idealer Wert für ausgewogenen Geschmack und lange Haltbarkeit.
Anna produziert derzeit 4.000 Liter pro Jahr, mit steigender Tendenz. Unterstützt wird sie vom Senior-Chef, der noch immer im Hintergrund mithilft.
Zum Abschluss besuchen wir den Fasskeller mit Blick über die Weinberge. Die Fässer stammen vom Fassmarkt, sind gereinigte Altweinfässer, die bereits einen Teil ihres Holzaromas abgegeben haben – denn Anna möchte, dass der Essig selbst im Vordergrund steht, nicht der Holz-Geschmack.
Wir verkosten nochmals mehrere Sorten, es wird eingekauft, gelacht und über geschmackliche Nuancen philosophiert.
Vollgepackt mit Eindrücken, neuen Erkenntnissen und köstlichen Produkten geht es mit dem Bus zurück nach Wien. Es war eine abwechslungsreiche, sommerliche Afterwork-Landpartie mit tollen Betrieben, spannenden und motivierten Persönlichkeiten – und süß-sauren Produkten.
MAYER+MAYER
Anna Kaiblinger
Weinzierlbergstraße 9
3500 Krems
Fotos: ÖKL