




Bauernhofgespräch -
Weidewohl für Rind & Schwein
10. September 2025
%20Reinhard%20Gessl%20(19).jpg)
Heute findet ein besonderes Format statt – wir wollen uns auf dem Betrieb Biohof Harbich vertieft mit dem Thema Tierwohl in der Nutztierhaltung auseinandersetzen. Dieses Bauernhofgespräch wurde gemeinsam mit Hannes Lindner vom LFI NÖ konzipiert. Mit dabei sind heute auch der Nutztierhaltungsexperte DI Reinhard Geßl vom FiBL sowie DI August Bittermann (Tierhaltungsexperte) von der LK NÖ.
Die kurze Busfahrt wird genutzt, um einen ersten Einblick und eine Einstimmung ins Thema Tierwohl zu geben. Reinhard Geßl erklärt, was Tierwohl ausmacht: Tierwohl bedeutet dass Tiere ihren unterschiedlichen Grundbedürfnissen nachgehen können und dafür ausreichend Platz zur Verfügung haben. Zu diesen Grundbedürfnissen zählen beispielsweise die Nahrungsaufnahme, das soziale Verhalten, ausreichende Bewegung, Beschäftigungsmöglichkeiten sowie Ruhe- und Rückzugbereiche.
Um Tierwohl zu kontrollieren, gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Das Verhalten der Tiere beobachten
2. Mit Zahlen bemessen - also Stall- und Flächenmaße erfassen und bewerten
Reinhard gibt auch ein paar erste Einblicke zum heutigen Betrieb und betont, dass es sich beim Biohof Harbich um einen außergewöhnlichen Betrieb handelt – die Harbichs setzten auf Agroforstsystem mit Mandeln und Weidehaltung von Rindern und der Haltung von Freilandschweinen. Außerdem schlachten sie direkt am Hof und vermarkten die eigenen Produkte allesamt direkt.
Nach dieser Vorbereitung und Einstimmung ins Thema rollen wir schon bei Vinzenz und Julia Harbich ein und die beiden sowie Hannes Lindner und August Bittermann von der LK NÖ steigen zu uns in den Bus.
Biohof Harbich, Aderklaa NÖ
Vinzenz erklärt uns die Betriebsphilosophie: Der Biohof Harbich wird seit 1993 biologisch bewirtschaftet und liegt im sonnigen, aber auch trockenen Marchfeld, wo Rinderhaltung eher die Ausnahme darstellt. Nach einem Urlaub in Tirol brachten seine Eltern die erste Kuh – ein Tiroler Grauvieh – auf den Betrieb und leiteten damit die neue Ausrichtung hin zur Tierhaltung ein. Heute umfasst der Hof rund 100 Hektar Ackerfläche für Getreide, Gemüse und Futterpflanzen sowie etwa 100 Hektar Grünland als Weidefläche. Die Rinderherde besteht überwiegend aus Mutterkühen der Rasse Tiroler Grauvieh x Aubrac, ergänzt durch Schweine, die seit 2013 ganzjährig im Freiland gehalten werden. Seit 2019 setzen die Harbichs außerdem auf Agroforstanlagen mit Mandelbäumen – eine Besonderheit, die man sicherlich nicht oft findet.
Bei der Agroforstanlage werden wir schon von der Rinderherde begrüßt. Zwischen den Bäumen wächst eine eigens angelegte Mischung aus Futtergräsern. Auch die Mandelbäume tragen gut; geerntet wird im September, sobald die Schale aufplatzt und die Nüsse leicht aus dem Baum geschüttelt werden können. Vinzenz betont, dass die gesamte Wertschöpfungskette – von der Aufzucht über die Haltung bis hin zu Schlachtung, Fleischreifung, Zerlegung und Vermarktung – direkt am Hof erfolgt. Besonders großen Wert legen die Harbichs auf eine stressfreie Schlachtung im eigenen zertifizierten Hofschlachtraum, der seit 2012 besteht.
Das Rindfleisch reift anschließend 21 Tage in einer speziellen Klimakammer, was zwar einen Gewichtsverlust von rund zehn Prozent bedeutet, aber für besonders intensiven Geschmack sorgt.
Da uns der Regen einholt, flüchten wir zurück in den Bus und fahren weiter zur Marktgärtnerei „Mandelgarten“, die von Vinzenz’ Cousin bewirtschaftet wird. Dort entdecken wir Tomaten, Mangold, Paprika, Radieschen, Blumen und vieles mehr. Vinzenz unterstützt dieses Projekt und staunt selbst immer wieder, welche Vielfalt auf kleiner Fläche möglich ist. Die Produkte ergänzen zudem das Angebot im Hofladen.
Anschließend besuchen wir die Freilandschweine. Auf den Weiden leben Schwäbisch-Hällische Schweine, die als Ferkel vom Biohof Maurer kommen. Neugierig kommen sie uns entgegen, wühlen, laufen und suhlen sich – ein Bild, das zeigt, wie wohl sich Schweine im Freiland fühlen. Vinzenz berichtet, dass die Tiere rund ein Drittel ihres Futters selbst finden, indem sie Klee, Wurzeln, Würmer und andere kleine Tiere fressen. Ergänzt wird dies durch hofeigenes Futtergetreide und Kürbiskern-Presskuchen, ein Nebenprodukt aus der Ölherstellung.
Vinzenz beobachtet seine Flächen genau und erklärt: „Nach der Beweidung sind die Böden locker und produktiv. Eine Überdüngung muss jedoch durch eine geringe Besatzdichte vermieden werden (7 bis 8 Schweine pro Hektar).“ Es entsteht ein Kreislauf: Der Acker liefert Futter für die Weidetiere (Rinder und Schweine), die wiederum den Acker mit Nährstoffen versorgen. Ein wichtiges Instrument ist dabei die Fruchtfolge, die den Boden fruchtbar erhält. Eine typische Abfolge auf seinen Flächen lautet: Weidehaltung – Ölkürbis – Weizen – Sojabohne – Triticale – und dann wieder Beweidung.
Zurück am Hof, noch etwas durchnässt, werden wir mit heißem Tee empfangen und besichtigen nach einer kurzen Pause den Winterstall, einen großen offenen Laufstall mit viel Stroh, in dem die Rinder bis Anfang März untergebracht sind. Vinzenz berichtet hier über die Schlachtung mittels Bolzenschuss. Besonders spannend für uns ist die Geschichte seiner ältesten Kuh, die 18 Jahre und 8 Monate alt wurde, 17 Kälber gebar und vor kurzem geschlachtet werden musste. Für den Landwirt war dies eine emotionale Überwindung, doch er betont, dass solche Momente zum Berufsleben dazugehören. Gleichzeitig zeigt er uns, dass sich auch aus älteren Tieren hochwertige Produkte herstellen lassen – etwa Trockenfleisch, Salami oder die italienische Spezialität Carne salada, ein sehr salziges, luftgetrocknetes Rindfleisch.
Nun dürfen wir die hofeigenen Spezialitäten auch verkosten: Schinken, Salami, Kabanossi und verschiedene Aufstriche – die Qualität ist zu schmecken, und die Teilnehmer:innen sind begeistert. Nun folgt ein kurzer Vortrag von August Bittermann, Tierhaltungsreferent der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, für noch weitere Einblicke ins Thema Tierwohl und Hannes Lindner moderiert die Fragen die die Teilnehmer:innen noch haben.
Mit der Busfahrt zurück nach Wien endet ein spannender und informativer Nachmittag, der uns gezeigt hat, wie Tierwohl und Qualität Hand in Hand gehen.
Biohof Harbich
Dorfanger 28, 2232 Aderklaa

Fotos: ÖKL, Reinhard Geßl